Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
und verließ die Stube.
„Na, trinkfestesten Weiber haben wir ja nicht gerade“, grinste der Preuße Johann an.
„War gestern anders.“
Der Preuße machte eine lapidare Handbewegung, lehnte sich zurück und zündete sich eine Pfeife an. Er blies den Rauch in Kreisen wieder aus, schien zu überlegen.
Das Holz knackte im Ofen, Johann wurde allmählich auch schläfrig. Beide genossen die Ruhe, die sich wie eine wärmende Decke über alles legte.
Kurze Zeit später sah Johann zu Elisabeth. Sie war eingeschlafen, ihr Kopf ruhte auf dem Buch. Er ging zu ihr, zog behutsam das Buch hervor und legte es neben ihren Kopf auf den Boden. Er küsste sie auf die Stirn und ging wieder zum Preußen, der ihn wohlwollend anlächelte.
„Jetzt mal im Ernst, Johann. Wo willst du hin?“
„Hab ich dir eh gesagt.“ Johann fühlte sich ertappt, die Müdigkeit fiel schlagartig von ihm ab. „Über die Donau nach Siebenbürgen. Dort soll es Religionsfreiheit geben, und auch sonst dürfte der Arm des Gesetzes dort nicht viel Kraft haben.“
„Siebenbürgen?“ Der Preuße maß Johann mit kritischem Blick. „Und deshalb seid ihr vom Süden aus hierher gekommen, wo ihr doch mit Leichtigkeit einfach weiter nach Osten hättet können? Fast direkt nach Siebenbürgen, möchte ich meinen.“
Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen.
„Natürlich –“, Johann flüsterte, „gibt es noch einen anderen Grund, weshalb wir hier sind.“ Er sah prüfend zu Elisabeth, die tief und fest schlief. „Der Schorsch hat’s mir erzählt, vielleicht weißt du’s auch schon. Von Pranckh ist hier. In Wien!“ Der Preuße schwieg, aber etwas in seinem Gesicht verriet Johann, dass sein Freund mehr wusste.
„Heinz – hast du das etwa gewusst?“
Der Preuße sagte immer noch nichts.
„Antworte mir!“
Wieder knackte das Holz im Ofen, unnatürlich laut für Johanns Ohren.
Der Preuße gab sich einen Ruck. „Ja, verdammt, ich weiß es“, seufzte er. „Ich weiß es schon lange. Und glaube mir, mein erster Gedanke war auch, das Schwein abzustechen. Ihn langsam ausbluten zu lassen für das, was er uns und unseren Kameraden angetan hat. Trotzdem –“
„Was?“ Johanns Stimme wurde lauter, Wut stieg in ihm hoch.
„Mensch, sieh dich um. Ich habe wieder etwas, für das es sich zu leben lohnt, nicht zu sterben.“
„Aber –“
„Es gibt kein Aber. Was, wenn es mir wirklich gelungen wär, bis zu ihm vorzudringen? Hätte ich von Pranckh vor anderen Leuten erschossen, dann hätte ich besser daran getan, mir auch gleich eine Kugel in die Brust zu jagen. Ich hätt’ ihm natürlich auch irgendwo auflauern können. Ihn meucheln und fliehen. Aber wohin? Mit Josefa? Glaubst du, ihr würde so ein Leben gefallen?“
Johann schwieg. Er wusste, dass der Preuße recht hatte, und trotzdem war er wütend über die Haltung seines Freundes.
„Ganz ehrlich, mir würd so ein Leben nicht mehr gefallen. Ich habe jetzt ein festes Dach überm Kopf und einen dicken Strohsack unterm Arsch. Jede Nacht. Und ein herzensgutes Weib, das mich liebt. Keine Rache, keine Sühne, rein gar nichts ist es wert, das alles aufs Spiel zu setzen.“ Der Preuße fasste Johann an der Schulter. „Glaub es mir, mein Freund. Lieber lebe ich noch einen Tag mit meinem Weib, als den Rest meines Lebens ohne sie. Und das solltest du auch. Die Elisabeth macht einen rechten Eindruck. Allein dass sie es mit dir aushält, spricht für sie.“ Er grinste Johann an. „Denk drüber nach. Du hättest keine Chance. Und sie erst recht nicht.“
Johann war sprachlos. Niemals hätte er diese Haltung von seinem alten Kameraden erwartet, der ihn während des Krieges oftmals zu den waghalsigsten Aktionen überredet hatte. Der Preuße war weich geworden – oder weise.
Johann kämpfte mit sich. Im Innersten spürte er zwar, dass er nur verlieren konnte, aber das Bedürfnis nach Rache war zu stark.
List. Wir werden dich kriegen.
Über sein Leben machte er sich wenig Gedanken, aber Elisabeth hätte keine Chance, so weit hatte der Preuße recht. Er blickte zu ihr, sah sie ruhig atmen.
Elisabeth.
Sein neues Leben. Seine Verantwortung. Seine Liebe.
Und auf einmal war alles klar, er wusste was er zu tun hatte. Er sah seinen Kameraden an, gab ihm einen leichten Schlag auf den Nacken. „Verdammter Besserwisser.“
Der Preuße hob den Trinkbecher. „Gibt’s ja nicht. Sogar ein sturer Tiroler lernt dazu – dann besteht ja noch Hoffnung für die Menschheit.“
Sie stießen an, der Preuße schenkte
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