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Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)

Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)

Titel: Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Bauer , Bastian Zach
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jeder vor einer Ansteckung fürchtete.
    Die Rasenden, die in der Minderzahl waren, hatte man ergriffen und in die Keller gesperrt. Ihre Schreie waren auf den Straßen und Gassen zu hören, dumpfe, zornerfüllte Laute, die die Menschen an der Oberfläche erschauern ließen.
    Bei den übrigen, die infiziert waren, hatte die Krankheit noch keine gravierenden Auswirkungen, aber viele begannen immer mehr das Tageslicht zu scheuen. Sie hüllten sich in Kleider und grobe Tücher und schützten damit ihren Körper notdürftig vor der Sonne. So konnten sie sich im Freien aufhalten, zumindest für einige Zeit – wenn die Sonnenstrahlen sie zu sehr schmerzten, mussten sie Zuflucht in den Häusern suchen, wenn es denn Häuser gab, die sie aufnahmen.
    Die Krankheit hat sich verändert, dachte Johann, in den Wäldern um das Dorf konnten sie sich überhaupt nicht bei Tageslicht zeigen. Aber war das besser oder schlechter?
    Er sah Elisabeth von der Seite her an.
    Als sie ihm erzählte, dass sie die Krankheit hatte, dass sie eine von ihnen war, hatte ihn blinde Verzweiflung ergriffen, aber auch Wut, dass sie es ihm nicht schon früher gesagt hatte.
    Anstatt sie in die Arme zu nehmen und zu trösten, war er aus dem Haus und durch die Straßen gelaufen, voller Zorn, weil das Schicksal ihm den einzigen Menschen nehmen wollte, der ihm etwas bedeutete.
    Den einzigen Menschen, den er liebte.
    Dann hatte er die Kranken gesehen, ganze Familien, die auf der Straße kauerten und sich aneinanderklammerten, weil Zusammenhalt das einzige war, was sie noch hatten.
    Und auf einmal hatte er sich unbändig geschämt.
    Er war ins Haus zurückgekehrt und hatte Elisabeth in die Arme genommen. Hatte geschworen, ihr zu helfen und die Krankheit zu besiegen. Noch nie hatte er etwas so ernst gemeint.
    Er wusste – er würde sie retten. Oder mit ihr sterben.
    „Arme Teufel. Aber solange die Essensversorgung seitens der Stadt so bleibt, werden sich die meisten ihrem Schicksal fügen und die vierzig Tage ausharren“, meinte der Preuße zu Johann und riss ihn aus seinen Gedanken.
    „Und solange das Wetter nicht umschlägt“, fügte Josefa hinzu. „Wenn es stark regnet, werden sie uns die Türe eintreten, das versprech ich dir, Heinz.“
    „Dann machen wir sie halt auf – ich lass keinen da draußen verrecken.“ Johann kannte die Entschlossenheit in der Stimme des Preußen. Mit der gleichen Entschlossenheit hatte der Preuße damals Johanns Plan zugestimmt, die Offiziere zu töten, um Unschuldige zu schützen.
    „Ich kann einfach nicht glauben, dass ich dafür verantwortlich bin.“ Elisabeths Stimme klang traurig und schuldbewusst.
    Johann nahm sie in die Arme. „Du hast dich nur deiner Haut gewehrt. Wenn jemand verantwortlich für das hier ist, dann die beiden Schweine, die dich angegriffen haben.“
    Josefa strich ihr über den Kopf. „Johann hat recht, meine Süße. Mögen die beiden in der Hölle schmoren.“
    „All diese armen Menschen. Aber wir könnten doch sagen, dass sie nicht die Pest haben“, meinte Elisabeth.
    „Wem? Der Obrigkeit? Das wissen die doch schon längst“, entgegnete Johann. „Ich vermute, dass die einzig herausfinden wollen, ob es sich um Segen oder Strafe des Allmächtigen handelt.“
    „Und Gnade uns Gott, wenn es Letzteres ist“, knurrte der Preuße. „Dann werden sie das Viertel hier schneller säubern als die angetrenzte Kutte des Papstes.“
    „Also wirklich, Heinz!“ Josefa gab ihm einen Rempler und bekreuzigte sich.
    Sie schwiegen für einen Moment.
    „Hört ihr das?“, fragte Elisabeth.
    Die anderen sahen sie fragend an.
    „Alle sind verstummt.“
    Jetzt fiel es auch Johann auf. Keine Gespräche mehr auf den Straßen, kein Kindergeschrei. Es schien, als wäre jedes Geräusch erstickt worden.
    Und dann: das langsame Rumpeln eines Karren, merkwürdig gedämpft, und Schritte, gepaart mit dem rhythmischen Schlagen von Eisen auf Pflasterstein. Sie sahen zum Tor. Die Leute drückten sich an die Mauern, senkten die Köpfe und verharrten regungslos. Ein vogelähnlicher Schatten schnitt sich durch den Rauch, legte sich über die Mauer und seine menschlichen Statuen.
    „Herr Jesus, der Schnabeldoktor“, flüsterte Josefa und bekreuzigte sich.
    Eine finstere Gestalt trat in den Torbogen, vom Hals bis zu den Knöcheln in schwarzes Ledergewand gehüllt, unter dem Hut eine eiserne Maske mit handlangem gekrümmten Schnabel, in den Riechstoffe gefüllt waren, darauf Augengläser aus Kristallglas. Enge Lederhandschuhe

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