Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
entließ mit einer Handbewegung den Boten, der zur Tür hinauseilte und sie hinter sich schloss.
Johann List entkommen?
Das Stubenmädchen lächelte und griff wieder ins Wasser, wollte fortfahren.
Erneut entkommen?
Von Pranckh stieß einen Wutschrei aus und schlug Luise ins Gesicht. Er sprang aus der Wanne und riss das Mädchen an den Haaren hoch. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, drückte er sie unter Wasser.
Entkommen!
Das Stubenmädchen begann in Todesangst zu strampeln und um sich zu schlagen, aber das machte von Pranckh nur noch wütender. Er drückte sie mit all seiner Kraft in die Wanne.
Ihre Bewegungen wurden langsamer und ruckartiger.
Entkommen. Zum letzten Mal.
Mit letzter Kraft schlug Luise mit dem Fuß nach hinten aus und traf von Pranckh zwischen die Beine. Dieser stöhnte, ließ sie blitzartig los. Luise schnellte mit dem Kopf aus dem Wasser und stürzte zu Boden. Sie rang nach Luft, Lichtblitze tanzten vor ihren Augen, was hatte sie –
Plötzlich war er wieder über ihr, sie fühlte seine Hände an ihrem Hals, sah seine weit aufgerissenen Augen, von blutroten Fäden durchzogen.
Es schien ihr, als blickte sie dem Teufel in die Fratze.
Dann stieß er sie mit aller Kraft weg, das Stubenmädchen stolperte rückwärts durchs Fenster und fiel …
Von Pranckh stand schwer atmend da, er hörte, wie der Körper unten auf den Pflastersteinen aufprallte. Er wartete, bis sein Atem ruhiger wurde, dann ging er zum zerbrochenen Fenster, blickte hinab.
Auf der Straße, in einer roten Lache, die schnell größer wurde, lag Luise. Sie glich einem Käfer, der auf dem Rücken lag, bewegte kraftlos ihre Arme. Augenblicke später war jedes Leben aus ihr entwichen.
Von Pranckh grinste.
Ein Gefühl der Erleichterung stieg in ihm auf.
LXV
Josefa bereitete eine Suppe zu, während Elisabeth apathisch in der Ecke saß. Nachdem sie erfahren hatten, dass man ihr Viertel abgeriegelt hatte, mussten sie zumindest keine Wachen fürchten.
Was für die einen der Käfig ist für die anderen die Zuflucht hatte Josefa gescherzt, in der Hoffnung, Elisabeth aufzumuntern. Leider vergebens.
„Josefa – wann werden wir die beiden wiedersehen?“
Josefa drehte sich zu ihr, dachte daran, alles schönzureden. Aber das brachte sie nicht übers Herz, sah stattdessen aus dem Fenster.
Durch das gewellte Glas waren zwei Gestalten erkennbar.
Josefa sah genauer hin. Waren das etwa –
Die Tür wurde aufgestoßen und der Preuße trat ein, Kopf und Oberkörper in ein schäbiges Tuch gehüllt.
„Bonjour, die Damen!“
„Heinz!“ Josefa fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
Elisabeth wusste nicht recht, wie ihr geschah, als Johann in die Stube trat. Sie sprang auf und drückte ihn, so fest sie konnte, an sich.
Der Moment schien ewig zu dauern.
Elisabeths Arme drückten auf seine Wunden, aber das war Johann einerlei – zu schön war das Gefühl, sie wieder im Arm zu halten.
„Ist alles glatt gegangen?“, fragte Josefa.
Der Preuße nickte. „Hast gut eingefädelt, mein Mädel!“ Er gab ihr noch einen schmatzenden Kuss, dann blickte er sie erst an. „Dafür haben wir jetzt ein anderes Problem. Nicht mehr lang, und es wird hier sehr eng werden.“
Die beiden Frauen sahen ihn fragend an.
„Eine Krankheit ist ausgebrochen, viele sprechen von der Pest. Die Stadtwachen treiben alle Bürger zusammen, von denen sie annehmen, dass sich angesteckt haben, und sperren sie in unser Viertel.“
„Wie seid ihr reingekommen?“, fragte Josefa.
„Rein kommt jeder“, antwortete der Preuße trocken, „Pest hin oder her.“
„Es ist aber nicht die Pest“, entgegnete Josefa. „Setzt euch hin, die Elisabeth wird’s euch erzählen.“
Elisabeth löste sich von Johann, sah ihn an. „Es tut mir so leid.“
Johann hatte schlagartig ein dumpfes Gefühl im Bauch.
LXVI
Im Quarantäneviertel wurden Kräuter- und Gewürzmischungen in Räucherpfannen verbrannt. Man hoffte, damit die vergiftete Luft zu vertreiben, was zur Folge hatte, dass das ganze Viertel alsbald ein dampfender Kessel war.
Johann, Elisabeth, Josefa und der Preuße standen vor dem Haus und beobachteten besorgt die Auswirkungen der Isolation. Immer mehr Menschen lagerten in den Straßen und im Innenhof vor ihrem Haus. Manche hatten Decken mit, andere nur die Kleider am eigenen Leib. Immer wieder war es zu Streitereien und kleineren Ausschreitungen zwischen Gesunden und Kranken gekommen, die aber meist genau so schnell vorbei waren, wie sie begonnen hatten, da sich
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