Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
unheimliche Stille hinterlassen.
Nur aus dem kleinen Salon des Rathauses drangen die verspielten Klänge eines Cembalos, auf dem Johann Joseph Fux seine neuen Sonaten zelebrierte.
Mitglieder des Stadtrates, des Klerus und des Handels hatten sich versammelt, um bei Musik und einem guten Tropfen Wein ihre Unverwundbarkeit der Krankheit gegenüber zu demonstrieren. Und um Politik zu machen.
Van Pranckh stand etwas abseits und hielt gleichgültig ein Glas Wein in der Hand. Er beobachtete die sogenannten Schutzherren der Stadt, denen nicht anzumerken war, dass ein Teil der Stadt am Abgrund stand. Entweder gaben sie sich bewusst gelassen, oder es war ihnen einerlei. Von Pranckh vermutete letzteres.
Ihm selbst berührte das Schicksal der Stadt jedenfalls nicht – das einzige, was ihn interessierte, waren List und seine Hure.
Wie aufs Stichwort trat Pater Bernardus zu ihm. „Und – habt Ihr den Bauern und sein Weib gefunden?“
Von Pranckh schüttelte den Kopf. „Wir haben die Stadt abgeriegelt und durchsucht, bisher ohne Ergebnis.“
„Dann gibt es nur mehr einen Ort, wo sie sein können. Bei ihnen “, sagte Bernardus mit nachdenklicher Stimme.
Von Pranckh nickte. „Ich gehe noch heute mit einem Trupp Soldaten in das Viertel hinein.“
Bernardus schüttelte den Kopf. „Das werdet Ihr nicht. Ich habe einen anderen Plan.“
Von Pranckh wollte etwas erwidern, aber er sah in den fanatischen Augen des anderen, dass Widerspruch zwecklos war.
Er konnte es natürlich mit Bernardus aufnehmen, die Befehlsgewalt dazu hatte er. Andererseits – das Viertel war dicht und voller Infizierter, manche der Raserei verfallen. Sollte der verrückte Dominikaner doch sein eigenes Süppchen kochen. Wenn es anbrannte, konnte er das Viertel immer noch mit Mann, Maus und Johann List schleifen.
„Wie Ihr befehlt“, sagte er spöttisch und nahm einen Schluck Wein.
Bernardus nickte und gesellte sich zu Bürgermeister Tepser und Pater Virgil, die mitten unter den Gästen standen.
„Die Pest ist es nicht, so viel ist gewiss.“ Bürgermeister Tepsers Kopf war hochrot, und das war mehr seiner Verärgerung als dem Wein zuzuschreiben.
„Ihr habt aber trotzdem rechtens gehandelt, Herr Bürgermeister“, entgegnete Pater Bernardus. „In bestem Wissen und Gewissen.“
„Eure erhoffte Erlösung ist es aber auch nicht“, warf Pater Virgil ein. „Daher muss ich mich fragen, wie lange Ihr noch die Quarantäne aufrecht erhalten und gesunde mit kranken Menschen zusammenpferchen wollt?“
„Ich bezweifle, dass ihr zu einem ärztlichen Zeugnis imstande seid, werter Jesuitenoberst“, konterte Bernardus. „Natürlich ebenso wenig wie ich selbst. Aber ich verstehe das, was ich sehe, mein Lieber, und ich trachte, danach zu handeln.“ Bernardus wandte sich wieder dem Bürgermeister zu. „Denn wer versteht, ohne zu handeln, der hat nicht verstanden, nicht wahr?“
„Gewiss doch.“ Tepser nahm einen guten Schluck Wein. „Ich stehe ja selbst unter Zugzwang. Die Gilden verlangen die Aufhebung der Quarantäne, um wieder ungehindert Handel treiben zu können, die Marktständler ebenso, um nicht noch mehr Reisende abzuschrecken, und an das Wort der Straße will ich gar nicht denken.“
„Umso schneller wäre es unsere Pflicht herauszufinden, was den armen Leuten fehlt. Denn in einem gebe ich Bruder Virgil recht: Um ein Werk unseres Herren handelt es sich wohl nicht. Aber was, wenn es sich um ein Werk Satans handelt?“
Um sie herum wurde es schlagartig still.
Im Hintergrund wirkten die Melodien des Cembalos wie ein Hohn.
„Aber Pater Bernardus“, stieß der Bürgermeister überrascht hervor.
„Das geht nun wirklich zu weit“, ereiferte sich Pater Virgil. „Wann immer es genehm ist, sind die Dominikaner die ersten, die den Teufel an die Wand malen, im wahrsten Sinne des Wortes.“
„Beruhigt Euch doch, was hätten wir denn für einen Vorteil daraus? Aber man muss doch etwas in Erwägung ziehen, bevor man es ausschließt, oder?“
„Was wollt Ihr damit sagen?“ Der Bürgermeister wurde ungeduldig.
„Ich spreche davon, dass selbst die Hohe Geistlichkeit nicht das Werk Satans ausschließen kann.“
Tepser blickte unsicher zum Bischof, der am anderen Ende des Raumes saß und ihm zunickte.
„Um Aufklärung bemüht, sollten wir einige Freiwillige einer Befragung unterziehen, um auch dies ausschließen zu können.“
„Ihr meint damit die peinliche Befragung, wie ich vermute“, sagte Virgil abschätzig.
„Sollten die
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