Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Aaron Payton
Vom Netzwerk:
oder zumindest Winnies Sonnenschirm, um sich damit einen Weg zu bahnen. So aber war sie gezwungen, bis zum äußersten Rand der Menschenansammlung vorzudringen, wo die Körper sich nicht ganz so dicht aneinanderdrängten, damit sie an der Seite herumgehen konnte. Dabei bewegte sie sich in einem langsamen Bogen dorthin, wo Winnie das seltsame Bauprojekt gesehen hatte. Nun konnte sie es einigermaßen erkennen, einen spitzen Turm, der sich über die Köpfe der Menge erhob und mehr als doppelt so groß wie ein Mensch war.
    „Willkommen auf der Weltausstellung!“, dröhnte plötzlich die Stimme Gottes. Das Publikum verstummte bis auf einzelne Schreckensschreie. Einen Augenblick lang hatte Ellie das Gefühl, die Menge wollte Reißaus nehmen wie ein Rudel Hirsche, das vom Knurren eines Raubtiers aufgeschreckt wurde. Doch die allgegenwärtige Stimme lachte kurz und sprach erneut. „Erschreckt nicht! Die Stimme, die ihr hört, gehört mir, Bertram Oswald, und keinem furchterregenden Ungeheuer. Diese wundervolle Verstärkung, diese außergewöhnliche Lautstärke ist einer der vielen Erfindungen zu verdanken, die ich heute Nacht enthüllen will. Lang und hart habe ich in meiner Werkstatt, meinem Laboratorium und meinem Atelier gearbeitet, um eine Parade der Wunder zu kreieren, die den Geist blenden und die Seele bereichern werden!“
    Ellie stand auf den Zehenspitzen und konnte gerade noch eine Gestalt erkennen, die einen weißen Anzug trug. Sie stand am Rand der Bühne und hielt beim Sprechen ein kleines Gerät an den Mund, an dem ein langer Draht hing. Ellie sah weg und kämpfte sich durch die Menge, vorbei an Menschen, die verzückt die Gestalt auf der Bühne anstarrten. Wer so laut sprechen konnte, konnte auch sehr viel Aufmerksamkeit auf sich lenken. Zum Glück hatte Ellie jüngst erlebt, dass Oswald sich insgeheim wünschte, ein Bühnenschauspieler zu sein. Zumindest nahm er liebend gern die Gelegenheit wahr, lange Reden zu halten. Wahrscheinlich konnten sie darauf zählen, dass er seine große Bedeutung und Wichtigkeit in aller Ausführlichkeit erläutern würde, ehe er versuchte, die grässlichen Geschöpfe von jenseits des Himmels zu entfesseln.
    Wenn es ihnen nur gelang, die unmittelbare Gefahr aufzuhalten, die von dem Mann ausging, konnte Pimm sich an seine Kameraden bei der Polizei wenden. Vielleicht könnte er sogar die Verbindungen seiner Familie nutzen, um ein Treffen mit einigen Parlamentsmitgliedern oder hochrangigen Ministern einzuberufen und ihnen die Beweise gegen Oswald vorzulegen. Sein eigenes Tagebuch sollte das Todesurteil des Wissenschaftlers sein. Natürlich würden sie auch die Königin vorstellen müssen. Ellie war sich nicht sicher, wie dieses Treffen verlaufen würde, doch sie wusste, dass es auf jeden Fall einen fabelhaften Artikel hergeben würde.
    Endlich erreichte sie den Sockel des Turms, der nicht allzu weit von der rechten Seite der Bühne entfernt war, und ihre Hoffnung schwand. Erstaunlicherweise hatte sich niemand an den Turm gelehnt oder versucht, ihn auseinanderzunehmen, weil er hoffte, die Einzelteile verkaufen zu können. Als sie näher kam, erkannte sie den Grund dafür. Die kleinere Maschine im Lagerhaus hatte ein unangenehmes Brummen erzeugt, doch dieses Ding hier war viel stärker. Sein Geräusch war kaum lauter, doch es schien ihre Knochen auf grauenhaften Frequenzen vibrieren zu lassen, und ihr Magen geriet f ürchterlich in Aufruhr, wann immer sie sich der Maschine näherte. Sie hätte diese Unannehmlichkeiten ertragen, um das Ding zu zerstören, doch leider erwies sich das als unmöglich.
    Die Maschine im Lagerhaus war nicht nur kleiner, sondern auch ungeschützt gewesen. Dieser Apparat stand sicher in einem zylinderförmigen Käfig aus schwarzem Schmiedeeisen. Das Metall war kunstvoll mit astronomischen Motiven gestaltet, mit Kometen, Sternschnuppen, Planeten, Sonnen und dem Mond in all seinen Phasen. In dem metallenen Käfig konnte sie Kristalle funkeln und Messing glänzen sehen. Sehr hübsch und sehr sicher. Das Ganze musste von einer Gruppe Arbeiter errichtet worden sein, die mit Seilen und Flaschenzügen gearbeitet hatten. Der Turm hatte keinen allzu großen Durchmesser. Sie hätte ihn zwar nicht umfassen können, Big Ben allerdings schon, gerade so. Dafür war er recht hoch, fast fünf Meter. Ellie lehnte sich mit der Schulter gegen den Turm, in der Hoffnung, dass sein Gewicht und seine relative Schlankheit ihn aus dem Gleichgewicht bringen würden, sodass man ihn

Weitere Kostenlose Bücher