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Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Aaron Payton
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Ärmeln, hochgeschlossenem Mieder und Reifrock. Ellies Korsett hatte sich noch nie so befreiend angefühlt. Sie verstand nicht, wie Männer, die in Frauen verwandelt worden waren und ihren Zustand verbergen wollten, es aushielten, den ganzen Tag in diese engen Bandagen eingewickelt zu sein. Sie befestigte die Haube mit den falschen Locken auf ihrem Kopf, um ihren Männerhaarschnitt zu verbergen; dann war sie bereit, der Welt die Stirn zu bieten.
    Sie hatte noch einen Text zu schreiben, ehe sie Lord und Lady Pembroke wiedertraf. Der Artikel über das mechanische Bordell war fertig in ihrem Kopf und musste nur noch zu Papier gebracht werden. Außerdem musste sie ihre Notizen über die Ereignisse des vorigen Tages ordnen. Die Entscheidung, was sie drucken lassen konnte, was sie andeuten durfte und was sie ganz und gar verschweigen musste, würde einiges Nachdenken erfordern. Erneut nahm sie sich vor, Pimm davon zu erzählen, wie sie Bertram Oswald im mechanischen Bordell gesehen hatte. Er hatte Mittel, über die sie nicht verfügte, und wenn sie der Beziehung zwischen Sir Bertram und Abel Value auf den Grund gehen wollte, brauchte sie jede Hilfe, die sie bekommen konnte.
    Doch dieses Problem hob sie sich für später auf. Nun musste sie erst einmal in der Redaktion vorbeischauen und sich bei Cooper zurückmelden, damit er ihr den versprochenen Zeilenplatz in der Zeitung gab.
    Ellie trat aus ihrem Zimmer und stand vor einem Mann, der im Flur kauerte und ein Messer hochhielt. Es war Crippen, der Preisboxer, der zum Verbrecher geworden war. Die Anwesenheit dieses schmutzigen, gewalttätigen Kerls in Ellies Wohnheim war so beunruhigend wie eine Schlange auf ihrem Kopfkissen. Sie trat einen Schritt zurück, und Crippen lief mit erhobenem Messer auf sie zu, das Gesicht zu einer wütenden Grimasse verzerrt. „Wo ist er?“, zischte Crippen.
    Wen meinte er? Pimm? Den Mörder Thaddeus Worth? Ehe Ellie auch nur versuchen konnte, eine stammelnde Antwort zu geben, stach Crippen mit dem Messer vor ihr in die Luft. „Jenkins!“, sagte er. „Wo ist Jenkins? Ich hab ihn hier hereingehen sehen, wo ist er?“
    Er suchte Ellie, und er merkte es nicht. „Ich weiß nicht, was Sie meinen. Das hier ist ein Wohnheim für Frauen, Männer haben hier keinen Zutritt. Sie müssen sich irren.“
    „Unnütze Kuh“, sagte Crippen, und Ellie wurde es kalt. Sie fragte sich, ob Pimms bemerkenswerter Gehstock, der Stromstöße verabreichen konnte, sich auch zu etwas umbauen ließ, was für ihre Zwecke taugte, vielleicht zu einem Sonnenschirm. Eine solche Waffe wäre nun recht nützlich gewesen.
    Plötzlich kam Ellies Vermieterin, die Witwe Mrs. Reynolds, kreischend aus der Küche gerannt. In der Hand hielt sie eine gusseiserne Pfanne hoch erhoben, als sei sie ein Morgenstern. Crippen schrie tatsächlich auf und wich einen Schritt zurück, gerade rechtzeitig, damit die Waffe ihm nicht den Kopf einschlug. Mrs. Reynolds hob mühsam erneut ihre Pfanne, und Crippen schwang mit wildem Blick sein Messer.
    Ellie wusste, dass er eher instinktiv als überlegt handelte, doch das änderte nichts an seinen Mordabsichten. Sie ergriff eine Vase mit frischen Blumen, die auf einem Tisch in der Eingangshalle stand. Mrs. Reynolds legte Wert darauf, die Gemeinschaftsbereiche mit Blumen zu verschönern, die man dank Sir Bertrams städtischem Gewächshaus nun sogar im Winter kaufen konnte. Sie zertrümmerte die Vase samt Blumen im Gesicht des Verbrechers. Das Porzellan brach, und Crippens Nase vermutlich auch. Er schrie auf, ließ sein Messer fallen und rannte zur Haustür. Von seinem Kopf tropfte Blumenwasser, und aus seinem Kragen schaute ein keckes Gänseblümchen. Mrs. Reynolds hob ihre Bratpfanne hoch, sah erst zu Ellie, dann auf die Sauerei am Boden, und seufzte. „Ich hole den Wischmopp“, sagte sie. „Sie gehen einen Polizisten suchen.“
    Ellie nickte, machte einen Bogen um die Scherben auf dem Boden und trat nach draußen. Dort entdeckte sie, dass sich bereits ein Grüppchen versammelt hatte, das sich lautstark über den blutenden, durchnässten Mann unterhielt, der die Straße entlang geflüchtet war. Ein Polizist mit charakteristischem Helm kam heran, angelockt von der Unruhe wie die Biene von der Blume. Ellie hob die Hand, um ihn herbeizuwinken. Im Kopf übte sie schon einmal die Worte, die sie sagen wollte: Ein Fremder war mit einem Messer ins Wohnheim eingebrochen und hatte Unverständliches gebrüllt. Ihre Vermieterin hatte den Mann vertrieben. Nein,

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