Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
er sich der Gefahr bewusst war, in die sie ihn gebracht hatte. Sie würde ihn diesen Mittag sehen und ihm dann alles erzählen.
Vorausgesetzt, sie begegnete bis dahin nicht noch einem von Values Schlägern.
* * *
Pimm wachte auf. Das Erste, das er sah, war Freddys Gesicht, das nur wenige Zentimeter über seinem schwebte. Er zuckte so heftig zusammen, als habe jemand eine Schüssel Wasser in sein Bett geschüttet. Mit einem unbekümmerten Lächeln zog Freddy sich zurück. „So viel dazu! Die vielgepriesene Wahrnehmung der Hallidays. Ich habe minutenlang über dir gelauert. Du hast Glück, dass ich kein Schurke bin, der dich erstechen will.“
Pimm stöhnte bloß, bis Freddy die Vorhänge aufzog und einen Strom von Licht hineinließ. Daraufhin schrie Pimm auf und steckte den Kopf unter die Decke. „Freddy, du Schuft! Was musst du mich so quälen! Erst lässt du mich die halbe Nacht auf dem Boden schlafen, und wenn ich dann endlich ins leere Bett gekrochen bin, setzt du mich nur wenige Stunden später der Sonne aus!“ Die Matratze senkte sich, als Freddy sich neben ihn setzte.
„Darf eine Frau ihren Mann etwa nicht zum Frühstück wecken?“
„Ich will schlafen, Freddy. Ich will wie ein vollgesogener Schwamm sein, so voll, dass bei der kleinsten Berührung Wasser hervorquillt. Nur dass ich anstatt mit Wasser mit Schlaf gefüllt sein will.“
„Es ist beinahe Mittag, alter Junge, und ich habe mit der entzückenden Ellie Skyler ausgemacht, dass wir uns um eins zum Mittagessen treffen. Ich dachte mir, dass du vielleicht vorher deinen Mund ausspülen und dein Hemd wechseln willst.“
Pimm schob Zentimeter um Zentimeter seine Decke zurück, in der Hoffnung, sich langsam an das Licht gewöhnen zu können. Sein Kopf fühlte sich an, als sei er voller Trümmer und Glassplitter. „Warum hast du sie zum Mittagessen eingeladen?“
„Weil ich sie außergewöhnlich reizend fand, und weil ich glaube, dass du sie auch ganz reizend fandest.“
„Schon wieder das Thema, Freddy?“
Sie klopfte ihm auf die Schulter. „Du hast mir einen großen Dienst erwiesen, als du mich geheiratet hast, Pimm. Ich weiß, dass es uns damals ideal vorkam. Du konntest deine Familie überzeugen, dass du endlich zur Ruhe kämest, und warst gleichzeitig in der Lage, mir zu helfen. Aber hast du jemals darüber nachgedacht, was du dir selbst damit angetan hast? Dass du dir die Chance verbaut hast, dein wahres Glück zu finden?“
Pimm versuchte, einen fröhlichen Ton anzuschlagen, obwohl er höllische Kopfschmerzen hatte und ihm die Zunge am Gaumen klebte. Er sagte: „Ich wage zu behaupten, dass ich irgendeinem armen Mädchen viel Elend erspart habe.“
Freddy verzog das Gesicht; auf ihrer makellosen Stirn bildete sich eine Falte. „Erzähl keinen Unsinn, Pimm. Wir waren zusammen in der Schule. Ich kenne die Gedichte, die du liest. Ich habe auch Adelaide gekannt und deine Gefühle für sie, ehe sie auf so traurige Weise verstarb. Aber das ist schon lange her, Pimm, zwölf Jahre. Ich glaube, dein Herz ist so weit geheilt, dass die Liebe wieder erblühen kann. So gerne du auch mit Verbrechern und Mördern herumlungerst, weiß ich doch, dass in dir eine zarte Seele steckt. Du hast ein wenig Glück verdient, meinst du nicht auch? Mehr Glück, als dir der Alkohol geben kann, meine ich.“
Pimm schwang die Beine aus dem Bett und richtete sich auf, sodass er Freddy den Rücken zuwandte. „Geht es dir um Ellie Skye? Ich kenne die Frau doch kaum, wirklich, Freddy.“
„Ja, und du wirst sie auch nicht kennen lernen, wenn du weiterhin glaubst, es nicht zu dürfen. Du hast Skrupel, dir eine Geliebte zu nehmen. Nun gut. Es gibt auch andere Möglichkeiten.“
„Was soll denn aus dir werden, wenn ich mit einer anderen … mit einer Frau mein Glück suche, Freddy?“
„Es gibt so etwas wie Scheidung, weißt du. Es ist jetzt sieben Jahre her, dass das Parlament sie für legal erklärt hat.“
Pimm schüttelte den Kopf. „Sollen wir dich dann als Ehebrecherin brandmarken? Oder würdest du lieber vor Gericht aussagen, dass ich ein Ehebrecher bin, der sich in Sodomie und Bigamie versucht? Denn ohne solche Anschuldigungen und Belege ist eine Scheidung für uns unerreichbar. Selbst dann dürfte ich vermutlich nicht wieder heiraten.“
„Im Parlament wird bereits darüber diskutiert, das Schuldprinzip im Ehegesetz ein wenig abzuschwächen. In Anbetracht des Morbus Konstantin und der gesellschaftlichen Veränderungen, die diese Krankheit ausgelöst
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