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Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Aaron Payton
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war. Doch die Lady hatte Ellies Verkleidung schnell durchschaut und geistreich und mit leichtem Spott darauf reagiert. Der Spatz hofft eben immer, dass der Pfau ein Dummkopf ist, dachte Ellie. Wie ungerecht, dass ein Mensch klug sein konnte und dazu auch noch aussah, als sei er gerade von einem Sockel im Museum gestiegen. „Ähm, ich bin Eleanor Skyler. Mein Aussehen ist … hier. Ich habe einen Brief von Lord Pembroke.“
    „Der gute alte Pimm schickt die merkwürdigsten Boten.“ Lady Pembroke streckte die Hand aus, und Ellie reichte ihr das zusammengefaltete Blatt Papier. Die Frau im Morgenmantel faltete es auseinander und überflog es rasch, während sich auf ihrer Stirn eine Falte bildete, genau zwischen ihren Augen. Die Falte trug wenig dazu bei, ihre Schönheit zu mindern. Ellie vermutete, dass die meisten Männer sie sogar ganz reizend finden würden.
    Lady Pembroke hob den Blick und sah Ellie an. „Haben Sie das hier gelesen, Miss Skyler?“
    „Nein.“
    „Hat Pimm Ihnen gesagt, was darin steht?“
    „Nur dass es erklären würde, wer ich bin.“
    Lady Pembroke schenkte Ellie ein bezauberndes Lächeln. „Der Brief verrät mir, wer Sie sind, und noch einiges mehr. Nur herein, meine Liebe, herein, ziehen Sie sich um, nehmen Sie einen Drink zu sich, wenn Sie möchten. Ich werde das Gästezimmer vorbereiten. Ich hoffe nur, Sie sind nicht zu müde. Sie müssen mir alles erzählen.“ Sie winkte Ellie herein, und die nächsten zwanzig Minuten sah diese sich in einem freundlichen Wirbelsturm gefangen. Lady Pembroke („Nennen Sie mich ruhig Winnie, meine Liebe“) goss ihr eine Tasse Tee mit einem großzügigen Schuss Brandy auf und half ihr, ihren falschen Schnurrbart und den Hautkleber zu entfernen. Sie bewunderte lautstark ihr kurzes Haar („Sagen Sie einfach, das sei der neue europäische Stil, der letzte Schrei der Moderebellion unter den jungen Damen von Paris“), überredete sie, eines ihrer dezenteren Nachthemden zu tragen, und gratulierte ihr zu ihrer journalistischen Arbeit („Mr. E. Skye eine Frau! Sie sind eine Zierde für unser Geschlecht!“). Alles in allem ließ sie Ellie keine Chance, ihr alles zu erzählen, oder überhaupt viel zu sagen.
    Erst als Ellie zu Winnies Zufriedenheit versorgt war, ließ sich die Hausherrin entspannt in einem Sessel am Fenster nieder. Sie lächelte hintergründig über den Rand einer dampfenden Tasse Tee und sagte: „Pimm hält sehr viel von Ihnen, scheint mir. Er lädt nicht oft jemanden zum Übernachten ein, den er gerade erst kennen gelernt hat.“
    „Es war ein sehr freundliches Angebot“, sagte Ellie. „Doch wenn ich Ihnen Umstände mache, kann ich …“
    „Unsinn, ich habe gern Publikum. Sagen Sie, haben Sie nicht irgendetwas schrecklich Schockierendes gesehen, während Sie mit meinem Mann unterwegs waren?“
    Ellie überlegte. Sie konnte Sensationsartikel schreiben und Situationen dramatisieren, um ihre Leser zu unterhalten, doch im Augenblick hatte sie dazu nicht die Kraft. Es war ein langer Tag und eine noch längere Nacht gewesen. „Ich habe eine Tote gesehen“, sagte Ellie, „und der Mörder lief in einer Gasse an mir vorbei. Die Nacht begann eher scherzhaft, ich schlich als Mann verkleidet im Dunkeln herum.“
    „Sie haben den Mörder gefunden, so viel konnte ich Pimms Mitteilung entnehmen. Demnach ist nun alles in Ordnung, oder?“
    „Ich nehme es an. Allerdings ließ der Täter, Mr. Worth, durchblicken, dass es noch eine weiter reichende Verschwörung gibt. Wir haben zwar ein Rätsel gelöst, doch anscheinend sind wir bereits auf das nächste gestoßen.“
    „Dann müssen Sie unbedingt weitere Nachforschungen anstellen!“, erklärte Winnie. „Eine kämpferische Reporterin und ein hartnäckiger Detektiv, die gemeinsam das Verbrechen besiegen wollen. Welch eine großartige Kombination!“
    Ellie lächelte. Sie war besorgt gewesen, dass Lady Pembroke ihr gegenüber eifersüchtig oder misstrauisch reagieren würde. Schließlich war sie eine unverheiratete junge Frau, die sich so fest an den Ehemann einer anderen heftete. Doch Winnie schien ihre Beziehung nicht im Geringsten zu stören. Das war eigentlich auch nicht verwunderlich. Warum sollte sich eine wohlhabende, schöne Frau wie sie darum Sorgen machen, dass Ellie sich ihrem Ehemann annäherte?
    Dennoch hätte es sie gefreut, wenn Winnie sie als Bedrohung gesehen hätte. Als eine kleine Bedrohung zumindest. Mit jedem Augenblick, den sie in Winnies Gegenwart verbrachte, fühlte Ellie

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