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Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Aaron Payton
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dafür gesorgt, dass einer der größten Verbrecher Londons in Todesangst floh. Trotzdem gab es noch zu viele Rätsel, die er vorher lösen musste.
    Er spazierte um den Baum herum und betrachtete das Gras, die Bäume, die Blumen und die Baustelle in der Ferne. In Wirklichkeit war sein Blick jedoch nach innen gerichtet. Oswald, nun gut. Was wusste er über den Mann? Er war vor einigen Jahren bekannt geworden, unmittelbar nachdem man Prinz Albert wegen seines Ehebruchs eingesperrt hatte. Er hatte eine Fabrik eröffnet, die alchemistische Lampen für den heimischen Markt und für den Export herstellte, und Hunderte gelernte und ungelernte Arbeiter angestellt. Seinen Adelstitel hatte er sich im Wesentlichen mit dieser Neuerung verdient, falls Pimm sich recht erinnerte, und danach war er ein enger Vertrauter der Königin geworden. Allerdings war ihm nicht völlig klar, wie der Mann das im Einzelnen bewerkstelligt hatte. Pimm war seiner Monarchin zweimal begegnet, beide Male in Gesellschaft seines angesehenen älteren Bruders. Doch selbst wenn er aus dieser formellen Bekanntschaft eine persönliche Beziehung hätte entwickeln wollen, hätte er nicht gewusst, wie er das angehen sollte.
    Oswald hatte die in Ungnade gefallene Königliche Alchemistische Gesellschaft wieder aufleben lassen. Jahrzehnte zuvor hatte sie sich aufgelöst, nachdem endgültig klar geworden war, dass es ihr nicht gelingen würde, unedle Metalle in Gold zu verwandeln oder das Wasser des Lebens abzufüllen. Er gab Geld für wohltätige Zwecke aus. Er ließ städtische Gewächshäuser errichten, damit Obst und Gemüse auch im Winter angebaut werden konnten. Er hatte ein fliehendes Kinn.
    Das war eigentlich alles, was Pimm über den Mann wusste. Wenn Oswald wirklich mit Value zu tun hatte und wenn Sir Bertram der mächtige Mann war, den Value fürchtete, dann sollte Pimm mehr über seinen Gegner erfahren. Es war an der Zeit, seinem Freund, dem Professor, einen Besuch abzustatten.
    Er winkte eine Droschke herbei und gab sich mit einem zweirädrigen, offenen Modell zufrieden, obwohl er diese Art von Wagen nicht mochte. Darin kam er sich immer wie auf einem Präsentierteller vor. Er wies den Kutscher an, zum King’s College zu fahren. Es war erst vor wenigen Jahrzehnten gegründet worden war, um der Mittelschicht den Zugang zu höherer Bildung zu ermöglichen und Nonkonformisten jeglicher Couleur eine Ausbildung zu bieten, die frei von religiösen Einflüssen war. Für Pimm, der das Magdalen College in Oxford besucht hatte, war das King’s ein Emporkömmling. Er betrachtete es mit reflexartiger Geringschätzung, obwohl er mit seinen Gründungszielen sympathisierte und einen Herrn sehr gern hatte, der dort in der Fakultät für angewandte Wissenschaften arbeitete und dessen Spezialgebiet die Alchemie war.
    Die Droschke setzte ihn einen kurzen Fußweg von dem Gebäudetrakt entfernt ab, wo Professor Conqueror sein Büro hatte. Pimm spazierte über den Campus und staunte wieder einmal, wie jung die Studenten waren, die in Grüppchen an ihm vorbeiliefen und sich unterhielten. War er jemals so jung gewesen? Mit Sicherheit war er nie so eifrig gewesen und hatte seine Schulaufgaben niemals so ernst genommen. Allerdings hatte er auch sein Familienvermögen im Rücken gehabt. Er hatte es nicht nötig, die Dinge ernst zu nehmen.
    Nachdem er die breiten Steinstufen erklommen und die muffigen Flure betreten hatte, ging er eine Treppe hoch und folgte einem schmalen Gang. Schließlich erreichte er ein Büro, das im hintersten Winkel verborgen lag. Die Tür stand offen. Den Raum dahinter zierten übervolle Bücherregale, eine große tote Topfpflanze und ein mächtiger Schreibtisch, der aussah, als ob er noch auf die Gründung Londiniums zurückging und seither jeden Tag gründlich genutzt worden war.
    Pimm klopfte an den Türrahmen. Professor Conqueror – was musste man ihn als Junge gehänselt haben, mit einem solchen Namen! – hob einen seiner wurstigen Finger und hielt den Blick auf die Seiten eines gewaltigen Buches gerichtet, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag. „Nur einen Augenblick noch, ich bin gerade einem fadenscheinigen Argument auf der Spur … aha!“ Er schlug das Buch zu und sah Pimm triumphierend an. „Die Begründung ist unzureichend, nicht wahr? Er hat so viele Postulate aufeinandergesetzt, dass ich eine Weile gebraucht habe, um sie voneinander abzugrenzen, doch das ganze große Gedankengebäude beruht auf einer unbewiesenen und unhaltbaren

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