Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)
…«
»Ein Haken?«
»Das Ganze findet schon übermorgen statt, also am Freitag. Fragen Sie nicht, warum. Ich denke mal, dass irgendwer ausgefallen ist. Was Sie aber nicht weiter stören sollte, ganz im Gegenteil: Nutzen Sie die Chance, die sich Ihnen bietet. Den Vertrag würden Sie direkt beim Veranstalter unterschreiben, das Honorar gibt’s von der Kulturscheune in bar. Und? Was sagen Sie?«
»Tja.«
»Tja?«
»Tja.«
»Wie schon erwähnt«, sagt Frau Dr. Gruber, »ich bräuchte die Zusage am besten schon gestern. Wenn Sie nicht wollen, dann sagen Sie’s. Dann wird Frau Stadler versuchen, einen anderen unserer Autoren zu vermitteln.«
»Wen denn? Etwa Tanja Hufschmied? Oder Jens-Uwe Palmer?«
Frau Dr. Gruber lachte spitz auf: »Sie haben vielleicht Vorstellungen: Jens-Uwe Palmer liest schon lange nicht mehr für 500 Euro in einer ausgebauten Scheune. Nein, irgendein anderes junges Talent, wie zum Beispiel …«
»Eine Sekunde noch, ja?«
»Die sei Ihnen gewährt«, sagte Frau Dr. Gruber.
Kai ließ das Handy sinken, hielt die Sprechöffnung zu und berichtete dann Peggy und Bruno in Stichworten von Frau Dr. Grubers eiligem Angebot.
»Wir kommen natürlich mit«, sagte Peggy, ohne zu zögern, dann sah sie Bruno an, und Bruno nickte.
»Frau Dr. Gruber?«
»Ja?«
»Ich nehme das Angebot an«, sagte Kai, »unter der Bedingung, dass zwei meiner Freunde, die mich begleiten werden, ebenfalls eine Übernachtungsmöglichkeit erhalten.«
»Das sollte sich einrichten lassen«, sagte Frau Dr. Gruber. »Ich leite Ihre Zusage sogleich an Frau Stadler weiter. Frau Stadler wird sich auch um die Übernachtungen kümmern und sich noch einmal per E-Mail bei Ihnen melden, wenn alles in trockenen Tüchern ist.«
»Gut«, sagte Kai.
»Sie werden es nicht bereuen, Herr van Harm, glauben Sie mir. Unsere Autoren lieben die Kulturscheune.«
Nichts weiter
Am Donnerstag passierte nichts. Oder anders gesagt: Es passierte nichts, das in einem Zusammenhang mit dem sogenannten Kautschuk-Elvis und seinen Taten stand. Und falls doch, dann hatten es weder Kai van Harm noch seine Nachbarin Peggy noch Bruno Zabel, Oderbruchbewohner auf Berlin-Besuch, und auch nicht Bruno Zabels drei Freunde aus der Sicherheitsbranche, Ronny, Robert und Ricco, pardon: Rocco, mitbekommen.
Wobei es sich bei den Taten des sogenannten Kautschuk-Elvis auch eher um sogenannte Taten handelt. Denn – mal ehrlich – was war denn schon passiert bisher? Es gab zwei beschmierte Wände, dazu Brunos verunreinigte, zu einem Turm aufgestapelte Klamotten. Weiterhin gab es einen Steinwurf mit Glasbruch und ein gestelltes Foto, das jemand Schwarzgekleidetes persönlich und unter Angabe eines falschen Absenders in Kai van Harms Briefkasten gesteckt hatte. Schließlich, als Höhepunkt, war da noch das Attentat auf Brunos Oberschenkel im Gedränge des Sterelle-Eingangs, an das Kai nach der Sache mit dem Foto nun immerhin glaubte.
Das alles konnte man Vandalismus nennen, Ein- und Hausfriedensbruch, penetrantes Stalking und leichte Körperverletzung. Das alles war zwar schon mal etwas, und es war um einiges mehr als nichts, aber es ging doch über ein verschärftes Rowdytum im Grunde nicht hinaus. Und es war geradezu lächerlich wenig im Vergleich zu den brutalstmöglichen Kopfgeburten einer Kriminalschriftstellerin à la Tanja Hufschmied, um von Jens-Uwe Palmer, dem Grandseigneur des literarisch verbrämten Metzelns, nicht zu reden. Mit deren Fantasien verglichen waren diese sogenannten Taten banal und eigentlich nicht der Rede wert. Und aus diesen mageren Ingredienzien nun sollte Kai, wenn es nach Bruno ging, sein zweites Buch zusammenklöppeln? Sehr fragwürdig das Ganze. Sehr fragwürdig.
Immerhin: Da am Donnerstag nichts von Belang geschah, gab es ausreichend Zeit, sich für den kurzfristig anberaumten Ausflug vorzubereiten. Kai war wild entschlossen, erstens: sich für die anderthalb Tage im Brandenburgischen so gut es eben ging zu erholen. Und zweitens: in der Kulturscheune so viel wie möglich für sein Buch herauszuholen. Er wollte antreten, um das Publikum zu begeistern. Er wollte Zuhörer gewinnen, die sein Buch per Mundpropaganda weiterempfahlen, denn irgendwie hatte er das dringende Bedürfnis, Frau Dr. Gruber zu beweisen, dass, was den drohenden Misserfolg seines Debütromans anging, noch nicht das letzte Wort gesprochen war. Und genau deswegen bereitete er sich, anders als zur Buchpremiere im Hotel Sterelle, geradezu akribisch auf seine Lesung vor.
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