Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)
wollte.
Leider hatte er damit sogar recht. Oder vielleicht besser gesagt: zum Glück! Klingen tat Bruno allerdings ziemlich enttäuscht.
»Dit is doch jestellt. Kiek do’ ma hin«, insistierte er und reichte Peggy das Foto hinüber, das er während Kai van Harms kleiner Lesung in seinen großen Händen gehalten und immer wieder gewendet hatte, ohne den Blick davon lassen zu können. »Dit sieht doch ’n Blinder mit Krückstock, sogar wenn’s so finsta is wie hier drinne bei uns.«
»Das bestreitet doch niemand«, sagte Kai van Harm mit matter Stimme. Ihm war immer noch übel, ein schwer bestimmbares Gefühl des Unwohlseins, das Bruno blümerant genannt hätte, wenn er darum gewusst hätte. Aber Kai versuchte, sich nichts anmerken zu lassen: »Du musst jedoch zugeben, Bruno, dass das Arrangement auf dem Foto so ziemlich mit meiner Beschreibung im Buch übereinstimmt. Und schon allein die Tatsache, dass mir dieses Foto mit diesem Arrangement in einem Umschlag des Buttermann-Verlages von einer schwarzgekleideten Person in den Briefkasten gesteckt wurde, sollte uns zu denken geben. Ich weiß zwar nicht genau, was es uns zu denken geben sollte, aber dass es uns zumindest beunruhigen sollte, weiß ich auf jeden Fall«, sagte Kai und fügte an: »Gestelltes Foto hin oder her.«
»Dit lässt sich nich leugnen«, knurrte Bruno seine prinzipielle Zustimmung zum eben Gesagten.
»Und es wäre mir tatsächlich lieb«, fuhr Kai fort, »wenn du deine drei Freunde, so schnell es geht, rufen könntest, um ihnen die neue Lage zu erläutern. Mir scheint, dass wir langsam wirklich Verstärkung bräuchten. Und wenn deine Freunde uns nicht helfen können, dann müssen wir eben doch die Polizei kontaktieren. Da beißt die Maus keinen Faden ab.«
Bruno entgegnete nichts, sondern guckte nur ganz betreten aus dem orangenen Kragen seines nagelneuen KEMP-DEVIED -Hemdes.
»Unheimlich«, flüsterte Peggy. »Können wir mal bitte ins Helle rübergehen?« Wieder wurde sie von einem Frösteln geschüttelt. Oder wirkte es nur so im Flackern des Monitorlichts?
Erst als sie wenig später in der Küche saßen, Kuchen zur Nervenstärkung aßen und Filterkaffee tranken, wurden sie alle ein wenig ruhiger. Bruno informierte per Telefon die drei R’s über den neuen Sachverhalt. Sie sollten sofort ihre Spaziergänge abbrechen, die sie am Paul-Lincke-Ufer, im Karree um Kai van Harms Wohnung beziehungsweise in der Gegend des Sterelle unternahmen. Gleichzeitig rief er eine höhere Stufe der Gefechtsbereitschaft aus, aber da Kai seinen Militärjargon sowieso nicht ernst nahm, fragte er gar nicht erst nach, was diese höhere Stufe der Gefechtsbereitschaft in der Praxis bedeutete.
Dann nahmen sie sich noch einmal das Foto vor, das nun in der sonnendurchfluteten Küche noch einige Details preisgab, die ihnen gerade eben im abgedunkelten Schlafzimmer verborgen geblieben waren. Vorne und sehr scharf ins Bild gesetzt, lag auf einem grob gezimmerten, schon leicht verwitterten Holztisch tatsächlich eine abgetrennte Hand, in dessen verkrallten Fingern sich ein Brieföffner befand. So wie Kai es in seinem Buch beschrieben hatte. Allerdings handelte es sich ganz eindeutig um die Hand einer Schaufensterpuppe, die am Gelenk abmontiert worden war. Offenbar um dennoch den Eindruck einer Gewalteinwirkung zu suggerieren, hatte jemand diese Hand so heftig bearbeitet, dass der Kunststoff, aus dem sie mutmaßlich bestand, ziemlich deformiert wirkte: gesplittert, gestaucht, dann wieder eingerissen oder geplatzt. Es sah aus, als habe sie jemand mit einem schweren Hammer malträtiert. Jemand, der über einen großen Zorn verfügte. Über diese ramponierte Hand wiederum war großzügig eine rote Flüssigkeit gespritzt worden, die aussah wie Blut. Viel Blut, das es so an jenem Wintermorgen in Wirklichkeit nicht gegeben hatte. Etwas weniger ramponiert waren lediglich die feingliedrigen Finger der Puppenhand, in die ein Brieföffner hineingelegt worden war, der jenem von Kai beschriebenen nur sehr entfernt glich. Dieser hier besaß einen türkisfarbenen Griff und eine leicht geschwungene Klinge, die den Blitz des Fotoapparates reflektiert hatte.
Kniff man die Augen etwas zusammen, zumal wenn die Umgebung etwas schummriger war, wie vorhin, ergab das Arrangement ein durchaus furchteinflößendes Bild.
Doch den Hintergrund erkannte man erst jetzt, in der hellen Küche. Er war rosa, ein flockiges Rosa.
Sie hatten das Foto in die Mitte des Tisches gelegt und einige Zeit
Weitere Kostenlose Bücher