Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)
schlechter Orthographie«, sagte Kai und zeigte auf Brunos Hemd mit den Pfeilschlitztaschen.
Addi musste lachen.
»Dit war jemein«, sagte Bruno.
»Stimmt«, sagte Peggy, »dit Hemd is ansonsten ziemlich schick.«
»Tut mir leid«, sagte Kai.
»Schwamm drüber«, sagte Bruno und schenkte polnischen Wodka aus. Sie tranken einen auf den Koch, einen auf die merkwürdigen Pfade des Schicksals, das sie hier zusammengeführt hatte, und einen letzten auf die Fahrt ins Brandenburgische sowie einen allerletzten auf den Erfolg von Kais Lesung.
Noch vor Mitternacht waren sie groggy und verabschiedeten sich voneinander, denn Kai, Bruno und Peggy wollten früh am Morgen los, um sich vor der abendlichen Lesung in der Wiepershofer Kulturscheune noch ein wenig in der ländlichen Gegend umzuschauen.
Addi alias Robert sollte während ihrer Abwesenheit die Stellung in Kai van Harms Wohnung halten und gegebenenfalls Bericht erstatten. Puh und Naik dagegen würden sich bis Sonnabend in Puhs Haus einquartieren, das – welch willkommener Zufall – keine zwanzig Kilometer östlich von Wiepershof in einem Flecken namens Neindorf stand, kurz vor den Toren der märkischen Kleinstadt Dahme. Als unsichtbarer Begleitschutz sollten sie dort in Bereitschaft warten, als Beschützer auf Abruf, sozusagen.
So hatte es Bruno verkündet, und so hatte es also zu geschehen.
Teltow-Fläming-Blues
Finstere Alleen Brandenburgs
Es war schon beinahe zwölf Uhr mittags, als Peggys roter Opel Corsa am Freitag die südwestliche Stadtgrenze Berlins überquerte und kurze Zeit später bei Großbeeren auf die Bundesstraße Nr. 101 einschwenkte. Die Route war einfach und klar: Sie mussten fünfzig Kilometer stur auf der B 101 Richtung Süden fahren, mussten den sogenannten Berliner Speckgürtel passieren, wo sich junge Familien in nagelneuen Reihenhaussiedlungen die Träume vom Eigenheim und dem Leben im Grünen verwirklichten, an Ludwigsfelde vorbei, der alten Automobilstadt, durch Trebbin hindurch und durch die Kreisstadt Luckenwalde. Hinter Jüterbog mussten sie auf die Bundesstraße 102 wechseln, auf dieser zehn Kilometer östlich Richtung Dahme fahren, anschließend noch zirka fünf Kilometer südlich auf einer Landstraße zurücklegen, und schon würden sie vor ihrem Ziel stehen, vor der Kulturscheune von Wiepershof.
Und weil die Route so einfach war, dass man sie auswendig beherrschen konnte, hatte Bruno es Peggy strikt untersagt, sich von einer Freundin ein Navigationsgerät auszuborgen. Ein Gerät, wie sie es im letzten Jahr benutzt hatte, als sie Kai van Harm in sein Bauernhaus nach Altwassmuth chauffiert hatte. (Wo dann in der Folge all die seltsamen Dinge passiert waren, die Kai in seinem ersten Buch verbraten hatte.) Ein wenig bedauerte Kai van Harm, dass sie ohne dieses Gerät unterwegs waren, denn die synthetische, weibliche Stimme, die monoton den Weg vorgab, war ihm seinerzeit im Zusammenspiel mit einem großen Glas Schnaps vor Fahrtantritt eine ganz fabelhafte Einschlafhilfe gewesen.
Neben Peggy hatte auf dem Beifahrersitz Bruno Platz genommen, einen altmodischen Straßenatlas von Neunzehnhundertnochwas auf den Knien, den er im Kofferraum des Corsa gefunden hatte, als er die Vollständigkeit des Erste-Hilfe-Kastens kontrolliert hatte. Nur für den Fall der Fälle, wie er behauptete, weil man ja nie wissen könne.
»Von wegen Sturm und Jewitter«, stieß Bruno jetzt höhnisch aus, als sie das hübsch herausgeputzte Großbeeren verließen und sich die 101 gleich darauf in eine jener brandenburgischen Alleen verwandelte, die in der gesamten Republik berühmt waren. Der Fahrbahnbelag war dank des Aufbauplans Ost perfekt in Schuss, das Sonnenlicht fiel durch das Dach der Baumkronen und hinterließ filigrane Schattenspiele auf dem Straßenasphalt. In regelmäßigen Abständen standen kleine Holzkreuze am Straßenrand, dekoriert mit Blumen und Plüschtieren und selbstgemalten Bildern oder handgeschriebenen Briefen in Klarsichtfolien. »Da kann man mal sehn«, setzte Bruno seinen angerissenen Gedankengang fort, »heutzutage lügt sojar schon der Wetterbericht!«
»Ick hab aber auch gehört, dass es Regen gibt und Jewitter«, sagte Peggy, ohne den Blick von der Straße zu nehmen.
»Wie ick eben schon festjestellt hatte, verehrte Peggy: Die lügen mit Absicht.«
»Mensch, Bruno«, sagte Kai, »die Wettervorhersage lag noch nie zu hundert Prozent richtig. Es heißt ja auch Vorhersage und nicht Ankündigung oder …«
»Ja, ja«, unterbrach
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