Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)
ihn Bruno, »glaub, watte glauben willst. Ick jedenfalls lass mir nüscht mehr erzählen von die da oben. Wennde weißt, wat ick meine. Nüscht über Politik und nüscht übert Wetta. Man sieht ja, wohin dit allet führt.«
Peggy grinste still vor sich hin, doch noch bevor Kai van Harm nachfragen konnte, wer die da oben wären, der heilige Petrus womöglich, oder wo genau hin dies alles führte, klingelte Brunos Handy.
»Ja?«, sagte Bruno und kurz darauf, nur wenige Sekunden später: »Ach du Scheiße!« Dann lauschte er eine ganze Weile den Ausführungen des Anrufers. Er stierte dabei unverwandt vor sich hin, und er lauschte so ausdauernd und so konzentriert, dass Kai auf der Rückbank neugierig zu werden begann. Nach fünf Minuten beendete Bruno das Telefonat mit den Worten »Halt mich auf dem Laufenden, verstanden?« Dann steckte er das Handy zurück in die linke Pfeilschlitztasche seines KEMP-DEVIED -Hemdes.
Brunos letzte Worte hatten so schlecht gelaunt geklungen, dass Kais Neugier noch größer wurde. Andererseits aber wagte er genau deswegen nicht, den Freund anzusprechen und möglichst beiläufig zu fragen, wer am Apparat gewesen sei. Aber für eine spontane beiläufige Frage war es jetzt sowieso schon zu spät, so was funktionierte nicht mehr nach vielleicht zehn Minuten drückenden Schweigens, so wie es im Corsa geherrscht hatte gleich nach Brunos harschem Verstanden? . Ein hartnäckiges Schweigen, ein verbissenes.
Auch Peggy hätte nur zu gern erfahren, wer der Anrufer gewesen war. Kai konnte beobachten, wie sie eine ganze Weile versuchte, Bruno fragende Seitenblicke zuzuwerfen, bis dieser schließlich genervt den Kopf um zirka siebzig bis achtzig Grad wegdrehte, um schweigend aus dem rechten Seitenfenster zu starren. So lange jedenfalls, bis ihm wenig später der Nacken zu schmerzen begann, woraufhin er den Kopf wieder in die Ausgangsposition zurückdrehte und sich fortan schlafend stellte.
Ungefähr zu diesem Zeitpunkt begann das Wetter umzuschlagen. Zunächst verschwand nur die Sonne hinter mächtigen Wolkenhaufen, und mit ihr verschwanden die Schattenspiele auf dem Asphalt. Es wurde merklich dunkler im Wagen, und es wurde kühler. Minuten später peitschten die ersten Böen über die Alleebäume. Die Wolken färbten sich dunkelgrau, und das Licht draußen wurde schwefelgelb. Peggy kurbelte das Seitenfenster hoch. Bruno tat noch immer, als ob er schlief. Durch die Ritzen und Fugen des Corsa pfiff der Wind. Sie fuhren direkt in das Unwetter hinein. Aus der Ferne konnte man bereits das Grollen des Gewitters hören, hin und wieder zuckte ein Blitz am Horizont auf. Ganz leicht begann es zu regnen. Peggy schaltete die Scheibenwischer an. Doch schnell wurde der Regen stärker, der schwarze Himmel hinter den Feldern jenseits der Allee leuchtete flackernd im kalten Licht der gezackten Blitze. Peggy drosselte die Geschwindigkeit, denn die Scheibenwischer schafften es nicht mehr, die Sicht freizuschlagen.
Als der erste Hagelbrocken auf die Motorhaube aufprallte, fuhr Bruno aus seinem gespielten Schlaf hoch.
Draußen herrschte der Ausnahmezustand. Kai van Harm nutzte die Gelegenheit: »Jetzt raus mit der Sprache: Worum ging es in dem Anruf?«
Bruno wandte sich nach hinten um. Er wusste sofort, was Kai meinte: »Ick will keine schlafenden Hunde wecken.«
»Bruno!«
Ein gleißendes Licht, und zeitgleich ein höllischer Knall: Keine hundert Meter entfernt, im schmutzig gelben Rapsfeld rechts der Straße, entlud sich ein Blitz. Peggy zuckte zusammen, der Wagen machte einen Schlenker auf der nassen Straße. Für einen Moment dachte Kai, sie würden an einem dieser unseligen Alleebäume enden. Und er sah noch nicht mal sein ganzes bisheriges Leben im Zeitraffer an sich vorbeiziehen. Doch schon im nächsten Augenblick hatte Peggy den Corsa wieder unter Kontrolle. Sie wirkte nicht einmal angespannt oder wenigstens erschrocken, so als hätte es den kleinen Aussetzer in der Schrecksekunde gar nicht gegeben.
»Es ging um deine Frau«, sagte Bruno.
Die Leiterin
Frau Schmidt-Balldruscheidt schloss die große Glastür auf, die zur Kulturscheune führte. Bevor sie eintrat, klappte sie den Regenschirm ein und warf einen sorgenvollen Blick zurück in den triefenden, grauen Wolkenhimmel. Leider schien es nun tatsächlich so, als würde es sich einregnen.
Folgendermaßen sah Frau Schmidt-Balldruscheidt aus: Sie hatte orange-rote Haare, die ihr in einem früher einmal modischen Kurzhaarschnitt – samt Fransen und
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