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Mord am Millionenhügel

Mord am Millionenhügel

Titel: Mord am Millionenhügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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sagen wollen. Ich küßte ihn auf die Stirn.
    »Ah, ah«, sagte er, »setzen!«
    Ich wischte seine Socken von einem Stuhl und setzte mich gehorsam. »Hör mal«, sagte ich, »deine Tür stand auf. Bist du sicher, daß du sie nicht auch vorgestern aufgelassen hast?«
    Baltasar betrachtete mich mißtrauisch. »Warum?«
    »Na, dann hätte doch irgendwer reinkommen und die Zahnbürste in deinen Becher stellen können.«
    Er schüttelte den Kopf und zeigte den Gesichtsausdruck der Fassungslosigkeit. »Aber wer sollte so etwas Absurdes tun? Würdest du in eine zufällig offene Wohnung eine Zahnbürste schmuggeln?«
    Nun war ich sprachlos. Ich goß mir Kaffee ein, sezierte ein Brötchen und versah es mit Butter und Schinken.
    »Also«, sagte ich dann mit vollem Mund, »vielleicht sollten wir, bevor wir uns über andere Dinge unterhalten, erst mal klären, was du unter absurd verstehst.«
    Baltasar schälte ein Ei, stopfte es komplett in den Mund und zwinkerte. »Wieso?« sagte er undeutlich.
    »Du bist nach mehreren Telefonaten zu dem Schluß gekommen, daß es absurd wäre, wenn dir jemand eine Zahnbürste in die Wohnung schmuggelte. Es erscheint dir aber nicht als absurd, wegen eben dieser Zahnbürste nächtelang durch Kneipen zu ziehen und Leute nach einem grauen Haselmausmann auszufragen.«
    Baltasar grinste. »Nein. Erscheint es mir nicht, richtig. Außerdem ist das eine prima Ausrede für einen ausgiebigen Zug durch die Gemeinde.«
    »Da geb ich dir recht. Aber du wirst wohl nicht behaupten, daß du im Ernst weitermachen willst, oder?«
    »Aber klar doch. Es wird doch erst interessant.«
    »Und was versprichst du dir davon?«
    »Ich will wissen, woher die Zahnbürste kommt. Und wieso sich so viele Leute an einen kleinen grauen Mann erinnern, von dem keiner etwas weiß, außer daß er Kellnerinnen begrapscht und Taschenbillard spielt.«
    »Mein Gott«, sagte ich, »die Stadt ist voll von kleinen grauen Männern.«
    Baltasar nickte. »Du kannst ruhig Baltasar zu mir sagen, wenn wir unter uns sind. – Was die grauen Männer angeht, von denen die Ämter wimmeln: Geh doch mal von Kafka aus.« Er wies aus dem Fenster auf die Impertinenz des Stadthauses. »Eine labyrinthische Organisation von Irren, die U-Bahn, Stadthaus und die ganzen anderen Dinge fertigbringt und der ein ewig lächelnder Schleimi vorsteht, in dessen Familie das Amt des Bürgermeisters dieser demokratischen Hauptstadt erblich ist – eine derartige Organisation ist zu allem fähig.«
    Er schwieg einen Moment und griff zum nächsten Ei.
    »Sieh mal«, sagte er, wobei er das Ei zu schälen begann, »die sind doch alle überflüssig und wissen es. Bauern, Metzger und Schreiner sind wichtig; Organisten und Gaukler und Schlagersänger auch, der Mensch braucht schließlich Unterhaltung. Aber was sollen wir mit Politikern? Brauchen wir die, damit sie mit anderen Politikern verhandeln können? Das heißt, ihre Existenz ist ihre Existenzberechtigung. Zu mehr hat's bei ihnen nicht gereicht; früher wären sie Wegelagerer geworden. Die Marodeure im Parlament sind also in erster Linie damit beschäftigt, ihre Notwendigkeit zu beweisen. Deshalb erlassen sie Gesetze, die kein Mensch braucht und die kein Mensch versteht. Deshalb gibt es Anwälte, die man zu Hilfe nimmt, um mit den Gesetzen fertig zu werden, die man nicht braucht. Und überflüssige Verwaltungen zur Durchführung überflüssiger Gesetze. Tausende grauer Männer sind dauernd damit beschäftigt, Formulare zu erfinden und auszufüllen, deren einziger Zweck es ist, ausgefüllt zu werden. Alle leben von dem Geld, das anständige Menschen erarbeiten. Und wenn man zu ihnen geht, um irgendein Formular zu bekommen, das von unserem Geld angefertigt wird und das wir nicht brauchen, muß man auch noch dafür bezahlen. Pässe, zum Beispiel. Im Orient heißt es Bestechung, bei uns Gebühr. Wozu brauch ich einen Ausweis? Ich weiß, wer ich bin. Ah, der Herr Staat will wissen, wer ich bin. Er mißtraut mir. Deshalb kassiert er mein Geld ein; davon bezahlt er Beamte, die stellen mir einen Ausweis aus, für den ich extra bezahlen muß; den zeige ich dann anderen Beamten, die auch von meinem Geld leben, und die nehmen mir dann wieder Geld ab, wenn ich in einer Straße parke, die von meinem Geld gebaut worden ist. Das heißt: Wir finanzieren eine Sorte von Beamten, die uns Formulare ausstellt, damit wir sie einer anderen Sorte von Beamten vorzeigen. Damit ist ihre Existenz erschöpft. Wenn sie nicht alle darauf angewiesen

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