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Mord am Millionenhügel

Mord am Millionenhügel

Titel: Mord am Millionenhügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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wären, daß wir mitspielen und bezahlen, wäre das Ganze ein perfektes Perpetuum Mobile, ein in sich geschlossener Kreis des Irrsinns, der zwar nichts mit der Realität zu tun hat, aber so gewalttätig ist, daß er die Realität zu verdrängen beginnt. Und wohin du siehst und wie weit du auch die Pelle abziehst, anders als bei diesem Ei findest du nie einen Inhalt, sondern nur Luft.«
    Sprach's und verschluckte das zweite Ei.
    Ich applaudierte. »Baltasars Wort zum Samstag«, sagte ich. »Herr Matzbach, wir danken Ihnen für diesen Monolog.«
    Er hob die Hand. »Ich bin noch nicht fertig. Alle Menschen sind böse, deshalb gibt es die Kriminalpolizei. Eine der wenigen sinnvollen Einrichtungen. Und ausgerechnet die ist hier in Bonn personell hoffnungslos unterbesetzt. Warum? Wenn sie genug Leute hätten, könnten sie auf den naheliegenden Gedanken kommen, statt kleiner Gauner zunächst mal die Ursachen zu beseitigen und den gesamten Öffentlichen Dienst wegen selbstgenügsamen Irrsinns, epidemischer Absurdität und Ausbeutung der Nation festzunehmen.«
    Ich nickte; was hätte ich auch sonst tun sollen? »Schön«, sagte ich, »aber können wir jetzt vielleicht noch mal von deiner Zahnbürste reden?«
    »Moment«, knurrte Matzbach, »dazu komme ich gleich. Der langen Rede kurzer Sinn: Die grauen Männer sind permanent damit beschäftigt, ihre Existenz zu rechtfertigen. Das ist ein gewaltiges Komplott, das spätestens bei Plato anfängt. Ich bin davon überzeugt, daß irgendwo eine geheime Behörde damit beschäftigt ist, neue Maßnahmen auszuhecken und ihre Durchführung zu koordinieren, um die erfundene Notwendigkeit des Staats zu untermauern. Dazu gehören bestimmt auch Ablenkungsmanöver, die die Leute vom Denken abhalten sollen. Vielleicht gibt es eine Fünfte Kolonne, die neuerdings wahllos Zahnbürsten an den unmöglichsten Stellen deponiert, um die Bürger zu verwirren. Vielleicht ist Haselmaus einer ihrer Agenten.«
    Als ich meinen Lachanfall durchgestanden hatte, wagte ich einen kleinen Einwand.
    »Matzbach, Matzbach«, sagte ich, mit einiger Mühe, »damit unterstellst du einem Apparat, den du selbst als schwachsinnig ansiehst, Einfallsreichtum und Kreativität von fast dadaistischen Ausmaßen. Ist das nicht ein Widerspruch?«
    Baltasar stand auf, wobei er sich heftig schüttelte. »Keineswegs. Was vernünftigen Menschen wie uns, die normal denken, als bizarrer Einfall erscheint, kann im Rahmen dieser Maschinerie ganz einfach und logisch sein.«
    Daß Baltasar sich als vernünftigen, normaldenkenden Menschen bezeichnete, gab mir den Rest.
    »Okay.« Ich gluckste. »Und was machen wir jetzt?«
    Etwa eine Stunde später stiegen wir in der Nähe der U-Bahn-Station Tannenbusch-Mitte aus Baltasars Wagen. Die Linie verläuft hier nicht mehr unterirdisch, sondern in einem tief eingeschnittenen Kanal. Die kanalisierten Lebewesen, die hier die Transportkäfige verlassen, stehen in der Trostlosigkeit synthetischer Wohnsilos, und der Eindruck albtraumhafter Irrealität wird verstärkt durch Straßennamen, die untergegangene Orte des deutschen Ostens beschwören.
    »Wie viele Leute springen hier jeden Tag aus dem Fenster?« murmelte Baltasar. Und: »Von fern ist Tannenbusch schon schlimm genug, aber mittendrin ...«
    Ich fürchtete eine weitere monologische Eruption, deshalb sagte ich schnell: »Wo willst du denn hier Herrn Haselmaus finden?«
    Ich deutete auf die Riesenhäuser rechts, links, vor uns. Baltasar bedachte mich mit einem geringschätzigen Seitenblick.
    »Denk mal ein bißchen, Watson«, sagte er.
    Ich dachte, kam zu der Folgerung, daß Baltasar verrückt sei und sagte es ihm.
    Er kicherte. »Ernsthaft. Die Idee, daß man eine Nadel in einem Heuhaufen versteckt, ist mir schon immer als albern erschienen.«
    »Suchen, lieber Baltasar. Im Sprichwort geht es nicht um Verstecken, sondern um Suchen.«
    Er zerschmetterte mich mit einer Grimasse. »Erstens, du Trottel, ist es kein Sprichwort, sondern eine Redewendung. Zweitens muß ja jemand die Nadel in den Heuhaufen gesteckt haben, bevor du sie suchen kannst.
Ver
steckt also. Bäh.« Er holte tief Luft. »Wenn du eine Nadel wärst und dich verstecken wolltest, wo würdest du dich verstecken?«
    Ich spielte gelehriger Schüler. »In einem Nadelhaufen, großer Meister.«
    Gönnerhaft klopfte er mir auf die Schulter. Er zog mich zu einem der entsetzlichen Gebäude. Während wir die Straße überquerten, sagte er:
    »Und wo sollte sich eine kleine graue Haselmaus

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