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Mord am Millionenhügel

Mord am Millionenhügel

Titel: Mord am Millionenhügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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werde ihm in einer Summe überwiesen; anbei seine Papiere, und man wünsche ihm viel Glück für seinen weiteren Lebensweg.
    Matzbach runzelte die Stirn. »Der Brief war vom März, Kündigungstermin war der 30. Juni. Die Papiere lagen in der Schublade, und zwar, soweit ich sehen konnte, vollständig. Jetzt haben wir Ende August; er hat sich also in fast zwei Monaten, seit er arbeitslos ist, nicht beim Arbeitsamt gemeldet, sonst hätte das eine oder andere Papier fehlen müssen und das eine oder andere Papier des Bonner Arbeitsamts hätte dort liegen sollen. Warum hat er sich nicht gemeldet, und wovon hat er seitdem gelebt? So schrecklich viel Geld kann er nicht gehabt haben, denn das Fixum war nicht bedeutend.«
    Das zweite Objekt war ein Fernglas. Wieso ein Fernglas, aber nicht einmal ein Kofferradio oder ein Kugelschreiber?
    Die Wirtin erzählte ihm dann beim Kaffee, daß Herr Brockmann auch ein kleines Opernglas besitze, und am Donnerstagmorgen habe er, nein, gegen Mittag, das Haus verlassen und sich nun schon zwei Tage nicht mehr gemeldet, und sie sei Baltasar ja so dankbar, daß er sich kümmere, und früher habe Herr Brockmann immer gesagt, wie lange er wegbleiben würde, oder angerufen, und sie sei beunruhigt, und sie werde ihm bestimmt ausrichten, wenn er wieder auftauche, daß er Herrn – wie ist der Name? Lupe? – also, Herrn Lupe anrufen möge, und überhaupt sei es ganz reizend …
    »Sehr schön, Herr Lupe«, sagte ich. »Was machen wir nun mit dem Ganzen?«
    Baltasar wiegte den Kopf hin und her. »Ich weiß nicht so recht«, sagte er, »aber ich finde es sehr interessant. Von seinem Fenster aus konnte er nur Häuser sehen, und zwar die Hinterseiten von vier Blocks mit mindestens zweihundert Wohnungen. Schlafen nach deiner Meinung Mädchen lieber nach hinten oder nach vorn raus?«
    Ich lachte. »Ich kenne kein Mädchen, das irgendwohin schläft. Es soll einige geben, die sich nach oben schlafen, aber nach hinten? Finster, finster.«
    Bevor er mich wieder einen Trottel heißen konnte, setzte ich hinzu: »Also, die meisten Schlafzimmer dürften nach hinten liegen, und Mädchen gibt es hier wahrscheinlich genug.«
    »Da«, sagte er.
    »Wieso, wo?«
    »Na, in Tannenbusch. Wir sind wieder in Bonn, und du hast
hier
gesagt.«
    »Na, gibt's hier vielleicht keine?«
    »Uuuuh.« Pause. Dann: »Siehst du, was ich bei der Sache sehe?«
    Ich nickte. »Ich sehe einen alten, schmierigen Seher, oder, französisch, Voyeur, der Kellnerinnen anfaßt und weiblichen Kneipengästen auf die Brüste starrt.«
    »Drück dich nicht so gewählt aus. – Und der sich für hübsche Töchter eines Abgeordneten interessiert.«
    Ich verfolgte mit Faszination, wie Baltasar seinen dicken schwarzen Haifisch durch das Gewimmel der engen Altstadtstraßen zu einem unvermuteten Parkplatz lenkte.
    Als wir ausstiegen, sagte ich: »Das ist zwar einiges, aber viel wissen wir nicht, und was soll nun das alles?«
    Baltasar schwieg, bis wir wieder in seiner Wohnung waren. »Korrigier mich«, sagte er dann, wobei er sich auf den Tisch setzte und dabei Brötchen zerquetschte, »wenn ich bei meiner eminenten Zusammenfassung einen Fehler mache. Also: Eine schmierige Haselmaus wohnt in Tannenbusch, macht Kneipenrunden in Bonn, nimmt die letzte U-Bahn, und seine Libido ist eher visuell. Richtig? Mittwoch ist er versackt, vielleicht zufällig, vielleicht mit Absicht, und hat wahrscheinlich eine der ersten Bahnen am Donnerstagmorgen genommen. Er fährt in seine Bude, schläft sich bis gegen Mittag einigermaßen aus und verschwindet. Anders als sonst sagt er dabei nicht, wie lange er wegbleiben wird, und ruft auch nicht zwischendurch an, sondern verschwindet einfach. Er besitzt ein Opernglas, klein und unauffällig transportierbar, das nimmt er mit, denn es ist nicht mehr in seinem Zimmer.«
    »Soweit, herrlicher Mann, entdecke ich an deinen Ausführungen keinerlei Makel.«
    »Dank, Euer Liebden. Weiter. Er ist ein ordentlicher, regelmäßiger Mensch; seine Kneipenrunden sind vermutlich exakte Kneipenkreise, er kommt zweimal pro Woche, wahrscheinlich an den gleichen Tagen.«
    »Moment«, sagte ich, »das ist eine Hypothese.«
    »Richtig, und nicht nachprüfbar, denn keiner erinnert sich so ganz genau, wann er wo war. Ist aber auch nicht so wichtig. Er ist jedenfalls ordentlich. Sein Zimmer ist aufgeräumt, und in der Mappe in seinem Nachtkonsölchen sind alle Papiere von der Geburtsurkunde an aufwärts nach Datum einsortiert. Soweit feststellbar, fehlt

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