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Mord am Millionenhügel

Mord am Millionenhügel

Titel: Mord am Millionenhügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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kein Stück.«
    Nachdenklich nahm er einen Schluck von dem kalten Kaffee, der vom Frühstück in seiner Tasse verblieben war.
    Ich setzte mich rittlings auf einen Stuhl und starrte den Bosch an der Wand an.
    Baltasar grunzte. »Nach seiner Geburtsurkunde ist er im März neunzehn geboren. Nach seinen Papieren hat er die letzten dreißig Jahre bei verschiedenen Firmen verschiedene Arbeiten ausgeführt. Er kann also gut noch ein paar Takte Arbeitslosengeld kassieren und dann Rente beantragen. Statt dessen läuft er seit zwei Monaten durch die Gegend, ohne sich irgendwo an- oder abzumelden.«
    Ich hob die Hand. »Zwischenfrage. Wie lange wohnt er schon da draußen?«
    »Seit einem halben Jahr. Vorher wohnte er in Dortmund. Die Firma sitzt in Hannover. Er ist ordentlich. Sogar die Abmeldung seiner Dortmunder Behausung war in den Papieren.« Er klopfte auf seine Brusttasche. »Alles notiert.
Quod scripsi scripsi
. Außerdem war er von einer gewissen grauhaselmäusigen Regelmäßigkeit. Übrigens stand seine Zahnbürste im Bad, eine ekelhafte Zahnbürste, gelb und gerade, igitt.«
    Er rutschte vom Tisch, ging zum Fenster, öffnete es, kam zurück und steckte sich eine stinkende Zigarre an. Bei den ersten Wolken zerrte er den Schlips von seinem dicken Hals und warf ihn zwischen die leeren Weinflaschen.
    »Ich ziehe«, sagte er dann und hielt mir seine Wurstfinger vor die Nase, »daraus folgende Schlüsse. Erstens: Er geht ohne Zahnbürste weg, nur mit Opernglas, und meldet sich weder für längere Zeit bei seiner Wirtin ab noch ruft er an. Das heißt: Er wollte gar nicht lange wegbleiben. Folglich ist ihm etwas – sagen wir mal zugestoßen, das ihn an der Rückkehr und auch am Telefonieren hindert, oder er will nicht. Aber auch das wäre schon merkwürdig. Zweitens: Daß er sich nicht beim Arbeitsamt gemeldet hat, liegt vielleicht einfach daran, daß er keine Lust hat. Er kann ja auch im Dezember zum Amt gehen. Aber wovon lebt er? Das Fixum, das er bekommen hat, war nicht sehr groß, und so, wie er in der letzten Zeit gearbeitet hat, kann er kein Vermögen an Provisionen verdient haben. Verfügt er vielleicht über eine Einnahmequelle, von der keiner was weiß?«
    »Tja«, sagte ich, »ich weiß nicht, was man heute als Voyeur so verdient.«
    Baltasar seufzte und hielt mir einen Vortrag – ausgerechnet er – über Ernsthaftigkeit im Umgang mit wesentlichen Problemen. Wir befanden uns in einer sehr vergnüglichen Debatte, als es klingelte.
    Moritz von Morungen war es, erbost. »Hör mal, du Knalltüte, zuerst besorgst du mir einen klassischen
interruptus
, dann bist du nicht hier, wenn ich wie verabredet komme, und schließlich gehst du nicht ans Telefon. Was ist eigentlich los?«
    Baltasar tippte ihm freundlich auf die Brust. »Ach, du wolltest ja gestern abend vorbeikommen. Hatte ich ganz vergessen, macht aber nichts.«
    Moritz sah das anders und empörte sich mannhaft, kam aber gegen Baltasars überlegenes Ignorieren nicht an. »Also, was willst du?« sagte er schließlich matt.
    Baltasar setzte sich wieder auf den Tisch. »Ich brauche deine journalo-kriminelle Mitarbeit für eine Ermittlung.«
    Ich stand auf, war keineswegs beleidigt und fühlte mich auch nicht abserviert, denn einige Dinge können Profis besser; außerdem hatte ich keine Lust, mir das ganze Wochenende von Matzbachs Bürstenphantom und dem haselmäusigen Voyeur verderben zu lassen.
    »Dann kann ich ja gehen«, sagte ich. »Ich hab nämlich manchmal das reaktionäre Bedürfnis nach ein bißchen Privatsphäre.«
    Moritz kicherte. »Hat er dich ausgebeutet?«
    Ich nickte. Baltasar überhörte und übersah alles und beschaute mich nachdenklich.
    »Montag«, sagte er, »fahr ich nach Hannover zur Firma von Haselmaus und nach Dortmund zu seiner letzten Behausung.«
    »Herrlich«, sagte ich.
    »Wieso?«
    »Das garantiert mir ein paar Tage ohne deine Visage.«
    Baltasar zuckte mit den Schultern. »Ich komm wahrscheinlich am Dienstag früh bei dir vorbei.«
    Ich klopfte ihm auf den Rücken und boxte Moritz freundschaftlich in den Bauch. »Ich werde mich wappnen. Macht's gut, ihr Kriminellen.«
    Schließlich, dachte ich bei der Heimfahrt, was scheren mich eine überzählige Zahnbürste und ein entlassener Textilvertreter? Es ist zwar immer amüsant, Baltasar bei einem seiner abenteuerlichen Projekte zuzusehen, aber ansonsten hielt ich die ganze Sache für unsinnig und belanglos. Zum Glück wußte ich noch nicht, daß sich das bald ändern sollte – es hätte

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