Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman
aussichtslos zu sein, wie er gedacht hatte. Wenn der geschniegelte Jörg Schneider jemals ein ernsthafter Nebenbuhler gewesen war, dann hatte er ihm mit seinem gestrigen Auftritt die Suppe ziemlich versalzen. Zwar war er, nachdem er das Wohnzimmer verlassen hatte, vor der Glotze eingepennt, aber Barbara hatte mitten in der Nacht seine Lebensgeister wieder erweckt. Sie hatten sich bis in die Morgenstunden geliebt. Erst nach dem Frühstück war er zurück nach Frankfurt gefahren.
Nun beschäftigte ihn aber nur eine Frage. Würde er eine neue Nachricht vom Kopfjäger haben? Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Dann, nach einigen Augenblicken wagte er, die Augen zu öffnen und starrte auf den Bildschirm. Es waren zehn neue E-Mails eingegangen, doch keine vom Kopfjäger. Irritiert überflog er noch einmal die Betreff- und Absenderzeilen, doch das Ergebnis blieb das gleiche. Bohlan stand auf und holte sich eine Tasse Kaffee. Er blickte zum Whiteboard und musterte die angepinnten Bilder. An einem blieb er hängen. Michael Pergande. Bislang hatten sie ihm keine größere Aufmerksamkeit gewidmet. Er war eine Randfigur gewesen, die sie im Laufe der Ermittlungen vernommen hatten, ohne ihn aber ernsthaft in den Kreis der Verdächtigen einzubeziehen. Noch dazu hatte er sich, wenn sich Bohlan recht erinnerte, ziemlich normal, wenn nicht gar gewöhnlich verhalten. Normal und gewöhnlich. Bohlan ließ sich diese Worte noch einmal durch den Kopf gehen. Waren dies nicht einige der Kriterien für einen Serienmörder, die Professor Claussen aufgestellt hatte? „Serienmörder sind keine instinktlosen Killer. Es gibt keine Hannibal Lecters in der Realität.“ Die Worte des Profilers hämmerten sich durch seine Gehirnwindungen. Verdammt! Sollte dieser unsympathische Professor doch recht gehabt haben? Bohlan blätterte in den Akten und ging die Protokolle der Gespräche mit Michael Pergande noch einmal durch. Schon auf den ersten Seiten wurde ihm heiß und kalt.
Julia Will lief die letzten Meter von der U-Bahn-Station zum Polizeipräsidium. Sie genoss noch immer den Morgen, der sich so schön und vollkommen anfühlte. Sie war froh, dass Alex gestern Abend zu ihr gekommen war und hartnäckig auf der Terrasse gewartet hatte. Das Leben fühlte sich beinahe perfekt an, seit sie Alex kannte. Dass er sich mit der Wohngemeinschaft arrangiert hatte, die sie mit ihrer Oma führte, erfüllte sie mit noch mehr Zufriedenheit. Momentan fühlte sie sich, als sei sie nach dem Segeln auf hoher See in einem Hafen angekommen, in dem sie für lange Zeit den Anker werfen konnte. Will blickte in den Himmel, der erneut wolkenlos und blau war, dann wandte sie den Blick nach vorne. Der Eingang zum Präsidium war nicht mehr weit und dann machte sie eine Entdeckung, die sie mehr als überraschte.
Annette von Lichtenhagen stellte die Regendusche ab, öffnete die Tür der Duschkabine und tastete nach einem Handtuch. Zu ihrer Verwunderung erfühlte sie es nicht am Haken, der sich direkt an der Außenseite der Kabine befand, sondern ein paar Zentimeter weiter im Raum. Es wurde von einer Hand gehalten. Sie blinzelte mit den Augen. Da stand tatsächlich Klaus. Er hatte seinen blauen Pyjama an und strahlte über das ganze Gesicht.
„Morgen“, murmelte Annette und griff nach dem Handtuch.
Annette rieb sich das Gesicht trocken und schlang sich anschließend das Handtuch wie ein Kleid um den Körper.
„Ich wundere mich über deine plötzliche Fürsorge.“
„Du arbeitest viel in letzter Zeit. Ich mache mir einfach Sorgen um dich.“
„All die Jahre hast du dich auch nicht für meine Befindlichkeiten interessiert.“ Annette von Lichtenhagen stand vor dem Spiegel und kämmte ihr Haar. Klaus zog sich seinen Pyjama aus. Sein Körper war immer noch straff und durchtrainiert. Er hatte sich wirklich gut gehalten. Kein Wunder, dass die Frauen auf ihn standen.
„Ach, komm schon“, sagte Klaus, der jetzt hinter ihr stand und die Arme um ihre Hüfte legte. Sie wand sich aus seinen Händen, obgleich sie sich nach seiner Nähe sehnte. „Lass das!“, sagte sie schroffer als gewollt.
Er drehte sich um und verschwand unter der Dusche.
„Ich bin übrigens heute Abend mit Michael verabredet.“
„Komm mal bitte mit!“ Julia Will stieß Bohlan an die Schulter.
„Warum flüsterst du?“, fragte Bohlan verwundert und blickte auf. Außer ihm und Will war niemand im Kommissariat. „Wo willst du hin?“
„Raus an die frische Luft.“
„Wenn du eine rauchen
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