Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman
her. „Wenn ich Kommissar Bohlan richtig verstanden habe, hat er drei Verdächtige, wobei einer ausscheidet, da er selbst Opfer geworden ist. Andreas Fischer. Bleiben demnach noch Annette von Lichtenhagen und Michael Pergande. Ich habe mir natürlich auch im Vorfeld ein paar Gedanken gemacht und mir die Personen und ihre Lebensentwürfe anhand der vorliegenden Protokolle ein wenig genauer angesehen. Wenn man den Kreis der Verdächtigen in Bohlans Sinne einengt, dann sollte das Hauptaugenmerk auf Michael Pergande liegen. Er scheint mir am ehesten in das von mir bereits mehrfach skizzierte Schema zu passen. Gewöhnlich, angepasst, ein wenig langweilig. Von ihm erwartet niemand, dass er mit einem Messer durch die Lande zieht und Mädchen und Kollegen absticht. Zudem lebt er zurückgezogen. Ist nicht verheiratet. Annette von Lichtenhagen hingegen ist geltungssüchtig und ehrgeizig.“
Maurer nickte zufrieden. „Dann nehmen Sie diesen Pergande einmal näher unter die Lupe. Quetschen Sie ihn aus wie eine Zitrone.“ Mit diesen Worten erklärte die Staatsanwältin die Sitzung für beendet. Während alle Anwesenden geschäftig ihre Unterlagen zusammenschoben und den Raum verließen, blieb Bohlan einen Moment lang regungslos sitzen und beobachtete seine Kollegen, wobei er sein Hauptaugenmerk auf Maurer und Steininger richtete. Schon während der Besprechung hatte er mit seinen Studien begonnen. Maurers Reden waren an seinen Ohren vorbeigerauscht, und Professor Claussens Erläuterungen waren im Wesentlichen ein Null-Event. Nichts, was er nicht bereits selbst gedanklich durchgespielt hatte. Wills Theorie zu Maurer und Steininger hingegen hatte seine Neugierde geweckt. Doch bislang hatte er keinerlei Anhaltspunkte entdeckt, die auf eine Affäre der beiden hindeuteten. Als Bohlan bereits aufgeben wollte, kam er jedoch in den Genuss einer kleinen, wenn auch kurzen Szene, die seine Aufmerksamkeit deutlich erhöhte. In dem Moment, in dem Steininger den Raum verlassen wollte, erreichte er fast zeitgleich mit Felicitas Maurer die Tür. Und genau in dieser Sekunde schien es Bohlan, als zwinkerte die Staatsanwältin dem jungen Kommissar kurz zu und ließ im Anschluss ihren Blick über Steiningers Körper gleiten, als wollte sie ihn mit den Augen verschlingen. Bohlan wusste, dass er von nun an so etwas wie ein Ass im Ärmel hatte.
„Jan, ich habe eine Spezialaufgabe für dich.“ Will nahm sich Steininger auf dem Weg zum Aufzug zur Seite.
„Was denn?“
„Ich habe mich gestern mit einem Schüler unterhalten. Tobias Hoffmann. Er hat mit Lea Schuster zusammen in der Redaktion der Schülerzeitung gearbeitet und war mit Natascha Weller befreundet. Angeblich kann er interessante Dokumente beschaffen.“
„Wieso weiß ich davon nichts?“ Steiningers Gesicht zeigte Interesse und Verärgerung zugleich.
„Weil ich es erst seit gestern weiß. Dann kam Fischers Leiche dazwischen und ich hatte so viel um die Ohren.“
„Aber hätten wir das eben nicht ansprechen sollen.“
Will zog die Stirn in Falten. „Warum denn das? Wir müssen der Maurer doch nicht alles gleich auf die Nase binden. Hoffmann wollte sich heute Nachmittag melden. Vermutlich werde ich mit Tom unterwegs sein. Vielleicht kannst du dich des jungen Mannes annehmen.“
„Klar doch.“ Steiningers Gesichtszüge hellten sich deutlich auf.
„Bei der Gelegenheit. Hast du eigentlich neuerdings einen Chauffeur?“
„Äh, wie kommst du darauf?“
„Ich habe dich vorhin in Maurers Porsche sitzen sehen.“
„Ach so. Das ist eine witzige Geschichte. Die Maurer trainiert im gleichen Club wie ich. Wir haben uns dort heute Morgen zufällig getroffen. Da hat sie mir angeboten, mich mitzunehmen. Eine Fahrt im Porsche, da konnte ich natürlich nicht Nein sagen.“ Steininger lächelte ein wenig unsicher.
„Du warst heute schon trainieren?“
„Warum nicht? Morgens hat man mehr Ruhe.“
Will nickte mit gespielter Bewunderung. Zwar hielt sie Steiningers Geschichte für wenig überzeugend, doch er hatte geistesgegenwärtig reagiert. Interessanter dürfte sein, wann Maurer von Tobias Hoffmann erfuhr.
Annette von Lichtenhagen drückte auf den Funkschlüssel ihres Autos. Sie war innerlich angespannt wie selten. Die letzten Monate hatten ihren Körper und ihre Seele ausgelaugt. Der Start als Schulleiterin eines der renommiertesten Gymnasien der Stadt war holpriger gewesen, als sie erwartet hatte. Als sie sich auf diese Stelle beworben hatte, war sie davon ausgegangen, dass
Weitere Kostenlose Bücher