Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman
ihrem Glas. „In der Tat kenne ich Andreas schon mein ganzes Leben. Ein Kostverächter war der auch nicht. Aber was spielt das noch für eine Rolle, jetzt wo er tot ist.“
Von Lichtenhagen erhob sich. „Bitte entschuldigen Sie mich.“
„Ich glaube nicht, dass wir hier heute Abend noch sehr viel klüger werden“, sagte Bohlan mit einer resignierenden Handbewegung, nachdem von Lichtenhagen den Raum verlassen hatte.
„Abwarten“, sagte Will mit einem spitzbübischen Lächeln. „Im Wein liegt Wahrheit. Mal sehen, ob sie heute nicht vielleicht neben der Weinflasche liegt.“
Bohlan rutschte unruhig auf der Couch hin und her, während Will an den Tisch getreten war und sich über den Laptop beugte. Ihre Finger wischten über das Bedienfeld. Während er versuchte, aus den Gesichtszügen seiner Kollegin zu lesen, lauschte er in den Flur. Er kam sich vor, als habe man ihn direkt in einen dieser Fernsehkrimis versetzt, in denen sich waghalsige Privatdetektive Hals über Kopf in gefährliche Situationen begeben, um dann im entscheidenden Moment einen Schlag auf den Kopf zu bekommen. Allerdings war dies hier alles sehr viel realer und Julia Will sah auch bedeutend besser aus als Josef Matula. Bohlan vernahm das Geräusch von rauschendem Wasser und schloss scharfsinnig, dass von Lichtenhagen in wenigen Minuten von der Toilette zurückkehren würde. Will klappte kurz den Laptop zusammen und wieder auseinander, so dass der Bildschirm schwarz war und setzte sich mit einem wissenden Lächeln neben Bohlan.
„Ist es richtig, dass Ihr Mann eine Affäre mit Katharina Fischer hat?“, wollte Will wissen, nachdem von Lichtenhagen sich wieder gesetzt hatte. Für einen Moment gefror ihr Gesichtsausdruck. Die Kommissarin glaubte, einen entscheidenden Treffer gelandet zu haben, doch die Rektorin lachte erneut.
„Ich habe schon seit Tagen auf diese Frage gewartet. Es ist wirklich erstaunlich, wie langsam Sie mit Ihren Ermittlungen sind. Wenn es nicht so tragisch wäre, könnte man darüber lachen. Ja, mein Mann treibt es mit Katharina Fischer. Aber was spielt das für eine Rolle? Ihre Langsamkeit ist das Problem. Sie sind nicht in der Lage, einen Verrückten zu finden, der Köpfe abschlägt und meine Schule der Lächerlichkeit preisgibt.“ Sie trank ihr Glas aus, um es sogleich erneut zu füllen.
Bohlan wurde wütend und er hatte keine Lust mehr, das Gespräch fortzusetzen. Er erhob sich, um auf von Lichtenhagen zuzugehen.
„Ich denke, wir unterhalten uns morgen weiter.“
„Sehen Sie, das ist es, was ich meine. Sie sind zu lasch. Sie sollten mir mehr zusetzen. So werden Sie nie erfahren, was den Kopfjäger umtreibt.“
„Dann sagen Sie es mir.“
„Ha“, von Lichtenhagen lachte wieder laut auf. „Nein. Sie müssen schon ein bisschen Grips aufbringen. Wenn Sie halbwegs intelligente Fragen gestellt hätten, dann hätten Sie vielleicht die eine oder andere Antwort bekommen. Aber so. Nein, das ist zu simpel.“
Bohlan blickte zu Will. „Komm Julia, wir gehen. Noch einen schönen Abend, Frau von Lichtenhagen. Wir melden uns morgen noch einmal bei Ihnen.“
„Dann mal raus mit der Sprache, was hast du in ihrem Laptop entdeckt?“, fragte Bohlan, als die beiden Kommissare wieder im Auto saßen.
„Outlook stand offen. Das heißt, dass sie dabei war, E-Mails zu schreiben, als wir gekommen sind. Sie will Michael Pergande die Leitung der Theater-AG übertragen. Pergande soll sich nach den Herbstferien daran machen, ein neues Stück einzustudieren.“
„Michael Pergande?“, sagte Bohlan mehr nachdenklich als fragend.
„Ein komischer Kauz. Wirkt eher langweilig. Er hat bei weitem nicht so eine Ausstrahlung wie Fischer.“
„Hm, das ist schon alles ein wenig merkwürdig. Warum trifft von Lichtenhagen noch am Abend von Fischers Todestag eine solche Entscheidung? Sie hätte doch alle Zeit der Welt.“
„Ich glaube nicht, dass diese Entscheidung etwas mit Fischers Tod zu tun hat.“
Bohlan blickte überrascht auf. „Wie meinst du das?“
„Ich glaube, dass sie diese Entscheidung auch dann getroffen hätte, wenn Fischer noch am Leben gewesen wäre. Die E-Mail-Unterhaltung mit Pergande ging schon etwas länger. Die beiden haben schon ein paar Tage über dieses Thema diskutiert.“
Bohlan steckte den Schlüssel in das Zündschloss und startete den Wagen. „Vielleicht ist Pergande der Kopfjäger“, sagte er, als er auf die Schnellstraße in Richtung Frankfurt fuhr. „Er profitiert direkt von Fischers Tod. Ganz
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