Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman
antwortete der Kommissar und hoffte inständig, dass er nicht auf einer Talk-Show-Couch landen würde.
„Als es geklingelt hat, dachten wir schon, es sei der neue Trainer der Mainzer. Er stellt Barbara seit Wochen hinterher, weil er unbedingt einmal Gast in ihrer Sendung sein will.“ Schneider lachte auf, als habe er den Witz des Jahrhunderts gerissen.
„Ja, das hat schon etwas von Stalking“, sagte Weber, die mit einem Glas aus der Küche zurück war. „Was willst du trinken?“
„Ein Glas Rotwein wäre nicht schlecht“, antwortete Bohlan mit einem Blick auf die halbvolle Flasche, die auf dem Tisch zwischen den Skripten stand. Weber füllte das Glas zur Hälfte und reichte es Bohlan, bevor sie sich auf die Couch neben Schneider setzte, der etwas zur Seite rückte.
„Du hättest vorher anrufen sollen“, druckste Weber.
„Ich wollte mal spontan sein.“
„Leider ist es nur so, dass wir noch jede Menge zu tun haben. Und wir können es auch nicht verschieben, weil wir eh schon hintendran sind.“
Bohlan nippte an seinem Glas und musterte die beiden. Vor der Kamera gaben sie bestimmt ein hübsches Pärchen ab. Und im normalen Leben?
„Ich könnte euch helfen, dann geht’s schneller.“
„Nette Idee, aber bei deinem Sportsachverstand!“
„Auch wieder wahr.“
„Du kannst aber im Schlafzimmer auf mich warten. Und wir versuchen uns zu beeilen.“ Weber lächelte. Schneider schaute ein wenig pikiert.
Na, du Lackaffe, das hast du dir bestimmt anders gedacht. Habe ich dir wohl einen Strich durch die Rechnung gemacht! Bohlan nippte noch einmal an seinem Glas. „Okay, aber macht nicht zu lange.“
Freitag
Ein durchdringendes Klingeln riss Julia Will aus einer viel zu kurzen, traumlosen Nacht. Benommen tastete sie nach Alex, doch der Platz an ihrer Seite war leer. Sie fuhr hoch, um den Wecker auszuschalten. Halb acht. Desillusioniert ließ sie sich wieder auf den Rücken fallen. Die Bilder der vergangenen Nacht fluteten ihr Gehirn. Wo zum Teufel steckte Alex schon wieder? Natürlich musste auch er früh aufstehen, schließlich warteten seine Patienten auf ihn, doch für gewöhnlich verließ er nicht vor ihr das Bett. Sie beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen und fand Alex, als sie dem Duft von frischgebrühtem Kaffee folgend, die Treppen nach unten gestiefelt war. Er stand in Sportkleidung und ziemlich durchgeschwitzt im Türrahmen.
„Was ist denn mit dir los?“, entfuhr es Will.
„Ich muss etwas für meine Kondition zu tun“, antwortete Alex und wollte sie umarmen. Will schob ihn nach hinten.
„Stell dich erst mal unter die Dusche.“ Mit gekränktem Gesicht zog Alex von dannen. Will betrat die Küche, wo ihre Oma bereits den Frühstückstisch gedeckt hatte. „Guten Morgen.“
„Morgen, Julia. Wie geht es dir?“
„Erstaunlich gut. Die Nacht war kurz, aber effektiv.“ Sie setzte sich an den Tisch und griff nach einem Croissant.
„Warum sind denn heute Morgen alle aus dem Bett gefallen?“
Annegret Will blickte ihre Enkelin fragend an.
„Alex war Laufen, du offensichtlich schon beim Bäcker.“
„Es hat aber auch niemand so lange gearbeitet wie du.“ Annegret Will schenkte Julia Kaffee in den Pott.
„Danke“, sagte Will und rührte den Zucker hinein. „Was macht eigentlich dein Buchprojekt?“
Annegret Will machte eine resignierende Handbewegung. „Ich habe es bei verschiedenen Verlagen eingereicht. Bislang gab es nur eine Absage.“
„Schade, dabei hast du wirklich interessante Geschichten über Niederursel herausgefunden“, sagte Will. Ihre Oma hatte das gesamte letzte Jahr damit verbracht, Geschichten und Anekdoten über den Frankfurter Stadtteil zusammenzutragen und aufzuschreiben.
„Wahrscheinlich ist der Markt für so etwas einfach zu klein. Eventuell wäre der Bürgerverein an einer kleinen Auflage interessiert.“
„Ich weiß, du hast dir das anders vorgestellt. Aber dann wäre es wenigstens veröffentlicht.“
„Mal sehen“, sagte Annegret Will, trank einen Schluck Kaffee und wechselte das Thema: „Seid ihr denn vorangekommen?“
„Wir sammeln weiter munter Puzzleteile. Nur beim Zusammensetzen hakt es noch. Aber das wird schon.“ Sie wusste selbst nicht, was sie zu so viel Zuversicht veranlasste. In Wahrheit kam es ihr so vor, als torkelten sie blind durch die schwarze Nacht.
Tom Bohlan hatte ein mulmiges Gefühl, als er an diesem Morgen an der Maus seines Computers rüttelte. Immerhin schien die Sache mit Barbara doch nicht ganz so
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