Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord am Oxford-Kanal

Mord am Oxford-Kanal

Titel: Mord am Oxford-Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
Sir?»
    Es kostete ihn eine kleine
Anstrengung, es zu sagen: «Direkt nach Hause. Es sei denn, Sie wollen sich hier
noch etwas ansehen?»
     
     
     

Kapitel 38
     
    Um
dessentwillen du dich hergekommen wähntest
    Ist
Schale, Hülse der Bedeutung nur
    Das
Ziel sich nur enthüllt, ist es erreicht
    Falls
überhaupt. Du hattest keins
    Oder
erst jenseits eines Horizonts, den du gedacht
    Es
wandelt sich dir im Erreichen
     
    T.
S. Eliot, Little Gidding
     
     
    Morse war nur selten zur
Unterhaltung aufgelegt, wenn er im Auto saß, und so schwieg er auch jetzt,
während Lewis zurück zur Autobahn fuhr. Aber irgend etwas, das merkte er,
bohrte in ihm. Irgend etwas, das Lewis gesagt und das er nicht richtig
mitbekommen hatte.
    «Wovon haben Sie da vorhin in
der Spring Street gesprochen?»
    «Sie meinen, als Sie mir nicht
zugehört haben?»
    «Nun sagen Sie schon, Lewis!»
    «Ich habe erzählt, wie das war,
als wir Kinder waren, es wurde immer gemessen, wie wir gewachsen waren. Meine
Mutter hat das meistens gemacht — immer an den Geburtstagen an der Wand in der
Küche. Dadurch bin ich, glaube ich, überhaupt darauf gekommen... weil wir in
die Küche geblickt haben. Das Wohnzimmer kam dafür nicht in Frage, da war ja
die gute Tapete. Denn wie ich schon sagte, sie nahm ein Lineal, legte es uns
auf den Kopf, zog einen Strich, und daneben schrieb sie dann das Jahr...»
    Morse hörte schon wieder nicht
zu.
    «Lewis, wenden Sie, und fahren
Sie zurück!»
    Der Sergeant sah ihn verblüfft
an.
    «ich sagte, Sie möchten bitte
wenden», wiederholte Morse betont beherrscht, «und schön vorsichtig, warten Sie
einen ruhigen Moment ab... Es ist nicht nötig, Fußgänger und Haustiere zu
gefährden. Aber wenden Sie!»
     
     
    Morse knipste den Lichtschalter
an, es passierte jedoch nichts, obwohl die Birne, die ohne Schirm von der
abbröckelnden Decke hing, noch ziemlich neu aussah. Die gelblichen Tapeten
hatten sich stellenweise von den Wänden gelöst, in der feuchten Ecke über dem
Spülbecken hingen sie ganz herunter.
    «Wo hat Ihre Mutter Sie denn
immer hingestellt, Lewis?»
    «Ungefähr hier, Sir.» Lewis
stand neben der zweiten Küchentür, die ins Innere des Hauses führte, mit dem
Rücken zur Wand, seine linke Hand auf dem Kopf. Nachdem er die Stelle mit dem
Daumennagel markiert hatte, drehte er sich um und betrachtete den Abstand
zwischen dem Fußboden und der kleinen Einkerbung.
    «Das müßten so fünf Fuß, elf
Inches sein — wenn ich nicht inzwischen geschrumpft bin.»
    Die Tapete war an dieser Stelle
von den vielen Händen, die im Laufe der Jahre nach dem Lichtschalter gegriffen
hatten, besonders schmuddelig, und wahrscheinlich war hier auch ein halbes Menschenalter
oder mehr nicht mehr renoviert worden. Direkt um den Schalter herum war der
Putz herausgebrochen, so daß die nackten Steine zu sehen waren. Morse riß ein
Stück der schmutziggelben Tapete herunter, und zum Vorschein kam eine
überraschend gut erhaltene, hellblaue Tapete. Doch auch sie zeigte keinerlei
Markierungen. Die beiden Männer sahen sich schweigend an und fröstelten
plötzlich beide in der einsetzenden Abendkühle.
    «Es war eben ein Gedanke»,
sagte Morse schließlich.
    «Und ein guter Gedanke, Sir»,
ergänzte Lewis.
    «Nun, eines steht fest: Wir
werden nicht den Rest des Nachmittags bis zum Einbrechen der Dunkelheit damit
verbringen, von all diesen Wänden hier Lage um Lage Tapeten abzureißen.»
    «Aber so lange würde das doch
gar nicht dauern.»
    «Was? Jedesmal vier, fünf oder
mehr Schichten...»
    «Aber wir wüßten doch, wo wir
zu suchen hätten.»
    «Wieso?»
    «Es ist nur ein kleines Haus»,
erläuterte Lewis geduldig, «und wir brauchen doch bloß in einer bestimmten Höhe
zu suchen, ein Meter zwanzig bis ein Meter fünfzig, würde ich sagen, und nur
hier unten.»
    «Sie sind ein Genie, Lewis,
wußten Sie das?»
    «Und Sie haben doch sicher eine
Taschenlampe im Wagen?» fuhr Lewis, das Lob ignorierend, fort.
    «Nein, ich fürchte nicht.»
    «Das macht nichts, Sir. Wir
haben noch ungefähr eine halbe Stunde, bevor es dunkel wird.»
     
     
    Um zwanzig vor vier stieß Lewis
ein Freudengeheul aus. «Hier. Ich habe etwas entdeckt. Ich glaube...» Er stand
im Flur.
    «Vorsichtig, ganz vorsichtig!» murmelte Morse, während sie im letzten Licht des schwindenden
Dezembertages, das durch ein verschmiertes Oberlicht über ihren Köpfen drang,
mit größter Behutsamkeit die Tapete von der Wand lösten. Darunter, direkt auf
dem Putz, verborgen

Weitere Kostenlose Bücher