Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord am Oxford-Kanal

Mord am Oxford-Kanal

Titel: Mord am Oxford-Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
er war mit seinen Gedanken weit weg gewesen. «Die Tat liegt lange zurück
jetzt, eine üble Tat...» sagte er langsam.
    Eine sicherlich richtige
Bemerkung, die jedoch Lewis’ Frage nicht beantwortete. Doch der Sergeant ließ
nicht locker; mit dem Ergebnis, daß sich beide Männer auf die Suche nach dem
Baustellenleiter machten. Morse präsentierte seine Legitimation und gab dem
Mann in einem Ton Anweisungen, als ob er durch MI5 und MI6 gleichzeitig
autorisiert sei. Insbesondere wünsche er, daß gewisse Bleistiftmarkierungen im
Eingangsflur fotografiert würden. Der Baustellenleiter war durchaus kooperativ
und sah weiter keine Schwierigkeiten. Er selbst sei, so gestand er etwas
verlegen, ein ziemlich guter Amateurfotograf. Lewis brachte einem immer noch
etwas erstaunten Anwohner der Spring Street sein Maßband und die Taschenlampe
zurück, dann bestiegen der Chief Inspector und sein Sergeant endlich den Wagen,
um nach Hause zu fahren.
    Es war kurz vor sechs, als
Lewis zum zweitenmal in Richtung Autobahn steuerte. Um Punkt sechs beugte Morse
sich vor und schaltete das Autoradio an. Er wollte die Nachrichten hören. Alles
in allem war es ein schlechtes Jahr gewesen: Seuchen, Hungersnöte, Flugzeug-
und Eisenbahnunglücke, eine Explosion auf einer Ölbohrinsel und etliche
Erdbeben. Seit den Mittagsmeldungen war jedoch keine neue Katastrophe passiert,
und so stellte Morse das Radio wieder ab.
    Erst jetzt wurde ihm bewußt,
wie spät es war.
    «Ist Ihnen klar, Lewis, daß wir
längst Öffnungszeit haben?»
    «Heutzutage ist die ganze Zeit
<Öffnungszeit), Sir», sagte Lewis.
    «Sie wissen schon, was ich
meine.»
    «Ich finde es eigentlich noch
ein bißchen früh...»
    «Aber wir haben etwas zu
feiern, Lewis! Halten Sie am nächsten Pub. Ich spendiere Ihnen ein Bier.»
    «Ist das Ihr Ernst?»
    Morse war bekannt wegen seiner
Knauserigkeit, und zwar gegenüber Untergebenen als auch Vorgesetzten. Lewis
griente still in sich hinein, während er im Vorüberfahren die Häuserfronten
musterte, ob er ein Wirtshausschild entdeckte — eine Tätigkeit, in der er durch
sein langes Zusammensein mit Morse Übung besaß. «Für mich keinen Alkohol, danke
— nicht, wenn ich fahre.»
    «Ach ja, natürlich, Lewis. Wir
wollen ja keinen Ärger mit der Polizei.»
    Während er an seinem
Selterswasser nippte und Morse zuhörte, wie er zusammen mit dem Wirt über die
ungeheure Skrupellosigkeit der Bierbrauer herzog, spürte Lewis eine tiefe
Zufriedenheit. Es war ein erfolgreicher Tag gewesen. Morse, der gerade mit der
bei ihm üblichen Geschwindigkeit sein drittes Glas Bier geleert hatte, war
offenbar jetzt bereit zum Aufbruch.
    «Herren?» erkundigte er sich.
    Der Wirt deutete nach rechts.
    «Haben Sie irgendwo ein
Telefon, das ich benutzen könnte?»
    «Direkt davor.»
    Lewis hörte Morse sprechen,
schnappte auch das Wort «Krankenhaus» auf, aber er war ein Mann, der die
Privatsphäre anderer respektierte, und so ging er vor die Tür und wartete dort,
bis Morse herauskam.
    «Lewis, ich... äh... ich möchte
Sie bitten, mich gerade noch beim Krankenhaus vorbeizufahren. Das Derby Royal
Infirmary. Ist kaum ein Umweg für uns, habe ich mir sagen lassen.»
    «Wieder Ihr Magen, Sir», fragte
Lewis besorgt.
    «Nein.»
    «Ich fand ja gleich, daß drei
Gläser Bier zuviel wären...»
    «Fahren Sie mich nun, Lewis,
oder nicht?»
     
     
    Morse vermied es, wie Lewis
wußte, schon seit längerer Zeit, auch nur hundert Meter weit zu Fuß zu gehen,
wenn nur die geringste Chance bestand, dieselbe Strecke auch mit dem Auto
zurückzulegen, und so wunderte es ihn nicht, daß sein Chef darauf bestand, sich
mit dem Wagen vor den Haupteingang kutschieren zu lassen. Direkt unter dem
Schild «Nur für Ambulanzwagen» mußte Lewis anhalten.
    «Wie lange, denken Sie, wird es
dauern?» fragte Lewis.
    «Wie lange? Keine Ahnung,
Lewis... Aber heute ist offenbar mein Glückstag — fassen Sie sich also in Geduld.»
    Als Morse eine halbe Stunde
später wieder auftauchte, fand er Lewis mit einigen der Ambulanzfahrer in ein
angeregtes Gespräch über Fahrtauglichkeit und Zuverlässigkeit der
Lancia-Modelle vertieft.
    «Können wir dann los?»
    «Äh... nein, Lewis. Sehen Sie...
ich habe mich entschieden, über Nacht hierzubleiben.»
    Lewis hob erstaunt die
Augenbrauen.
    «Ja, ich dachte, daß es
vielleicht ganz gut wäre, wenn ich hierbliebe, um dabeizusein, wenn die Fotos
gemacht werden...»
    «Aber ich muß unbedingt zurück,
Sir. Ich habe morgen Dienst!»
    «Ich

Weitere Kostenlose Bücher