Mord auf Raten
dieses Mädchens, sondern weil ich das Gefühl hatte, dass mir meine Unschuld genommen wurde, und zwar auf eine sehr brutale Weise. Meine schöne heile Welt war mit einem Mal kaputt. Alles, woran ich geglaubt hatte, war dahin. Ich habe mich schmutzig gefühlt, alles in diesem Haus war mit einem Mal schmutzig. Ich erkannte, dass ich einen Mann geheiratet hatte, von dem ich überhaupt nichts wusste. Seine Gedanken schienen nur noch um Sex zu kreisen, alles andere war Nebensache. Das Schlimmste dabei war für mich zu sehen, wie wild er es mit der andern getrieben hat, abwechselnd mit ihr und dann wieder mit mir. Und zum ersten Mal habe ich ihn von einer Seite kennen gelernt, die ich nie an ihm vermutet hätte. Da war keine Zärtlichkeit, nur brutales Ficken. Entschuldigen Sie diesen Ausdruck, doch genau so habe ich es empfunden.« Sie seufzte auf und sah wieder zu Brandt. Ihr Blick hatte nichts Spöttisches oder Abweisendesmehr. »Aber so seltsam das auch klingen mag, ich habe ihn immer noch geliebt und habe ihm schließlich den Vorschlag gemacht, dass ich ihm alle Freiheiten zugestehe, wenn er mich nicht verlässt. Erst hat er Theater gemacht, rumgeschrien und getobt, aber als er sich beruhigt hatte, kam er zu mir, hat mich in den Arm genommen und gesagt, wie sehr er mich liebe und dass er für seinen Trieb nichts könne. Und er versprach mir, ohne dass ich ihn darum gebeten hatte, eine Therapie zu machen.«
Als sie nicht weitersprach, weil Tränen über ihr Gesicht liefen und sie sich schnäuzte und auch das zweite Glas Cognac austrank, sagte Brandt behutsam: »Hat er die Therapie gemacht?«
Sie lachte gequält auf und antwortete: »Ja, er hat eine Therapie gemacht – bei Kaufung. Jetzt können Sie sich selbst ausrechnen, wie diese Therapie ausgesehen hat. Die beiden waren schon seit Jahren befreundet, und Kaufung war sicher ein guter Arzt, aber er war auch ein Weiberheld. Ich glaube, die beiden hatten sich gesucht und gefunden. Und womöglich war Kaufung der Auslöser für das ungehemmte Leben meines Mannes. Ich habe keine Ahnung, mit wie vielen Frauen Klaus in den letzten Jahren geschlafen hat, ich will es auch gar nicht wissen, aber es waren bestimmt mehr, als meine Vorstellung es zulässt. Als sein Vater gestorben ist, hat er die beiden Apotheken verkauft und sich den Erlös mit seinem Bruder geteilt. Jeder von ihnen hat so an die anderthalb Millionen Mark bekommen. Davon hat er sich den Traum von einer eigenen Galerie erfüllt. Dadurch war er natürlich noch weniger zu Hause als schon zuvor, aber ich habe ihn auch nicht kontrolliert, weil ich nicht sehen wollte, was er so treibt. Ich weiß nur, dass er sich zwei Angestellte geholt hat, die alles andere als graue Mäuse sind. Ich war in den dreiJahren genau zweimal in der Galerie, das erste Mal zur Eröffnung, nach dem zweiten Mal habe ich sie nicht mehr betreten, weil ich genau wusste, dass er auch mit diesen beiden schon im Bett war.« Sie machte eine Pause, putzte sich ein weiteres Mal die Nase. Alle Distanziertheit und gespielte Arroganz waren verflogen. »Sie haben mich gestern gefragt, ob ich die Galerie verkaufen werde. Nein, warum sollte ich? Solange ich kein Geld investieren muss, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, können die Damen das Geschäft weiterführen, vorausgesetzt, sie sind kaufmännisch dazu in der Lage. Man hat Ihnen bestimmt gesagt, ich würde mich für die Galerie nicht interessieren, oder habe ich das sogar selbst gesagt, ich weiß es nicht mehr … Na ja, ist auch egal, aber ich interessiere mich schon für Kunst, doch nicht für das, was mein Mann gemacht hat.«
»Verzeihen Sie die Frage, aber hatten Sie und Ihr Mann noch eine intime Beziehung?«
»Ab und zu kam er und hat mit mir geschlafen, aber das wurde immer seltener. Ich habe jedenfalls von mir aus keine Anstalten mehr gemacht, mit ihm … Er hat mich angeekelt, aber ich habe es über mich ergehen lassen. Wenn er zu mir kam, fühlte ich mich hinterher jedes Mal schmutzig und habe zwei oder drei Stunden gebadet. Ich war froh, wenn er sich woanders austobte.«
»Wie haben Sie das kompensiert? Ich meine, Sie sind eine attraktive Frau und …«
»Danke für das Kompliment, aber irgendwann findet man sich mit den Gegebenheiten ab. Ich werde einundvierzig und finde mich nicht hässlich, doch mir ist die Lust auf Männer vergangen. Ich lebe lieber enthaltsam, als noch einmal enttäuscht zu werden. Ich hatte einmal eine kurze Affäre mit einem andern Mann, aber es hat mir keinen
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