Mord auf Raten
ahnen. Aber bitte gestehen Sie sich auch ein, dass Fehler nur allzu menschlich sind. Nicht nur ich muss noch gewisse Dinge lernen, wenn Sie verstehen … Ach ja, eines will ich Ihnen doch nicht vorenthalten– Wedel war ein Schweinehund in vielerlei Hinsicht. Ich denke, wer immer ihn umgebracht hat, er oder sie hat einen sehr triftigen Grund gehabt.«
Elvira Klein sah Brandt an. Ihr Blick war nicht mehr eisig, sondern hatte etwas Entschuldigendes. Er drückte etwas aus, das sie niemals über die Lippen bringen würde, dazu war sie zu stolz. Doch Brandt verstand diesen Blick und nahm wortlos die unausgesprochene Bitte um Verzeihung an.
»Was war in der Kapsel?«, fragte sie.
»Zyankali. Er hatte sie in einer Körperöffnung versteckt, dort, wo man nur ganz selten nachsieht. Wer trägt schon ein Messer im Hintern?«
»Halten Sie mich auf dem Laufenden, aber nur, wenn Sie wirklich etwas Konkretes haben. Es tut mir leid, aber ich habe gleich einen Termin bei Gericht …«
»Ich wollte sowieso gehen, ich habe eine Menge zu tun. Sie hören von mir. Darf ich den Brief bitte wiederhaben, ich brauche ihn vorläufig noch.«
»Natürlich«, sagte sie leise und schob ihn etwas zögerlich über den Tisch.
»Wiedersehen«, sagte Brandt.
»Tschüs.«
Brandt fühlte keine Genugtuung, schon gar keinen Triumph, als er zu seinem Wagen ging. Er war jedoch auf eine seltsame Weise froh, dass Elvira Klein ihre verletzliche Seite gezeigt hatte. Sie war berührt, betroffen und auch ein wenig traurig. So hatte er sie nur einmal zuvor erlebt, ganz kurz. Aber das lag lange zurück. Und er fragte sich, wie lange es diesmal anhalten würde. Und er war erleichtert, dass sie nicht die Frage gestellt hatte, woher Banser die Details wusste, die nur der Mörder und die Polizei kannten.
Er fuhr ins Präsidium, um Spitzer und Eberl kurz von denEreignissen des gestrigen Abends zu berichten. Anschließend würde er Katharina und Christine Wedel aufsuchen, in der Hoffnung, dass wenigstens Katharina etwas kooperativer war als die Male zuvor.
Freitag, 8.25 Uhr
Spitzer und Eberl zeigten sich bestürzt, als Brandt ihnen von Bansers Tod und seinem Besuch bei Elvira Klein erzählte und auch ihnen den Brief zu lesen gab. Nachdem sie fertig waren, sagte Spitzer: »Du hattest also doch den richtigen Riecher. Tut mir leid, wenn ich dir nicht geglaubt habe.«
»Es braucht dir nicht leid zu tun, ich war selber schuld. Aber es ist nicht mehr zu ändern.«
»Was wirst du jetzt tun?«
»Fährten lesen und die Spuren verfolgen. Und ich weiß auch schon, wo ich ansetzen werde. Aber ihr braucht gar nicht zu fragen, ich verrat’s nämlich nicht. Ich hab’s schon der Klein gesagt, und ich sag’s auch euch – ich zieh das Ding vorläufig ganz alleine durch.«
»Es ist deine Entscheidung.«
»Ganz genau. Und deshalb verschwinde ich auch gleich wieder. Bis dann.«
Wen nehme ich mir zuerst vor, Wedels Frau oder seine Schwägerin?, fragte er sich auf dem Weg nach unten. Er entschied sich für Wedels Frau. Diesmal würde sie ihm Rede und Antwort stehen müssen. Keine Ausflüchte mehr, kein Schönreden, nur klare Antworten auf ebenso klare Fragen. Die Zeit der Rücksichtnahme war endgültig vorbei.
Freitag, 9.40 Uhr
Nach einer kühlen und sternenklaren Nacht herrschte wieder strahlender Sonnenschein, und konnte man dem Wetterbericht glauben, so würde die Temperatur heute auf über zwanzig Grad steigen. Wir haben Ende September und noch immer ein Wetter wie im Sommer, irgendwann geht noch mal alles den Bach runter, dachte er auf der Fahrt zu Katharina Wedel. Er hatte das Seitenfenster heruntergelassen, das Radio spielte leise Musik, und Brandt wunderte sich, dass er so gutgelaunt, fast fröhlich war. Er summte die Melodie des Liedes mit, dessen Titel er nicht kannte, das er jedoch schon oft gehört hatte.
Es dauerte wieder eine ganze Weile, bis Katharina Wedel die Tür öffnete. Ihr Blick war diesmal nicht spöttisch, sondern eisig.
»Ja, bitte?« Sie trug eine schwarze Jeans, eine weiße Bluse und flache schwarze Schuhe, und sie schien auf dem Sprung zu sein. Sie war geschminkt und sah an diesem Morgen äußerst attraktiv aus, auch wenn ihr Blick ihn wie mit Dolchspitzen durchbohrte.
»Ich muss noch einmal mit Ihnen sprechen. Es ist sehr wichtig.«
»Herr Brandt, ich habe einen wichtigen Termin, der nicht warten kann.«
»Das wird er aber müssen, oder wollen Sie lieber aufs Präsidium kommen? Sie haben die Wahl.«
»Mein Gott, hat man denn vor
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