Mord fuer Mord
hättest du nachgehakt und hättest unter Umständen das Notizbuch persönlich bei dem Herrn abgeholt.«
»Ja, wahrscheinlich. Stopp. Da fällt mir gerade ein, das Notizbuch aus der Villa des Herrn Hagel ist auch noch nicht hier. Ich frage mal bei der Spurensicherung nach.«
Ich greife zum Telefonhörer und wähle die besagte Nummer. Eine Frau meldet sich und verbindet mich weiter zu einem Herrn Müller, der allerdings nichts von einem Notizbuch weiß. Auch der Autoschlüssel, der daneben auf dem Tisch gelegen hatte, war auf Nachfrage bisher dort nicht aufgetaucht. Alle anderen angeforderten Dinge, wie der Geldbeutel und diverse Objekte, würden bis morgen bei mir eintreffen.
Ich lege den Hörer auf und schaue etwas konsterniert zu meinem Assistenten Kaspar Dinkel.
»Sie wissen dort von nichts. Obwohl ich unserem Herrn Karl persönlich den Auftrag dazu erteilt habe, die Sachen einzutüten.«
»Ich glaube, wir müssen dringend mit ihm sprechen.«
»Das glaube ich allerdings auch.«
Bis zum Mittag allerdings taucht er nicht mehr auf, und als wir nach unserem gemeinsamen Essen nachfragen, wo er denn bleibt, werden wir gewahr, dass er den Rest des Tages frei genommen hat. Angeblich braucht er noch einen halben Tag, um restlos umzuziehen und seine Wohnung einzuräumen. Am nächsten Tag würde er pünktlich zum Dienst erscheinen. Natürlich frage ich mich, warum er mit mir darüber nicht gesprochen hat. Genehmigt war der Urlaub.
Aber dass er sich nach der Vernehmung gar nicht mehr hat sehen lassen, kommt mir doch etwas seltsam vor.
»Dorothea? Du lässt nach. Weißt du noch, was du für Nachforschungen über meine Person angestellt hast?«
»Ich war damals noch ganz neu hier.«
»Aber diesen Kommissar Karl lässt du gewähren.«
»Ich bin momentan nicht ganz auf der Höhe.«
»Was ist los mit dir? Probleme?«
Jetzt wäre normalerweise die Gelegenheit gewesen, ihm von meinem Verfolger und den anderen privaten Problemen zu erzählen, die in meiner Gedankenwelt immer mehr Platz einnehmen. Aber ich sage nichts.
Vielleicht, weil ich keine Einmischung möchte, vielleicht, weil er mir doch nicht helfen kann, vielleicht aber auch, weil ich nicht weiß, ob er dadurch möglicherweise in Gefahr gerät.
»Keine, bei denen du mir helfen könntest«, sage ich nur knapp.
9.
Dieser Typ hatte das Büro schon vorzeitig verlassen.
Ohne sie.
Anscheinend hatte er es eilig.
Besser für ihn, wenn er ihr nicht zu nahe kam, wenn er keine Beziehung zu ihr aufbaute.
Allein für ihn war sie auf der Welt.
Allein für ihn existierte sie, und niemand sonst hatte das Recht, von ihr zu träumen, sie in Gedanken zu liebkosen.
Er hatte sie fast den ganzen Tag noch nicht gesehen, da sie heute anscheinend keinen Außendienst hatte. Verdammt. So kamen Leute wie dieser schmierige alte Sack oder die kreuzlahme Krücke, die sich vorhin mühselig aus dem Auto geschält hatte, an sie heran.
Wieso wollte sie ihn nicht sehen?
Warum hatte sie jeglichen Kontakt abgebrochen?
Warum war sie vor ihm geflohen?
Es konnte doch nicht sein, dass da einfach nichts mehr war. Dass sie ihn einfach vergessen wollte.
Nun gut, er hatte ein paar Fehler gemacht, er hatte sie eingesperrt, er hatte sie eingeengt, aber das war doch bloß zu ihrem Schutz geschehen.
Warum hätte er sich dafür entschuldigen sollen?
Inzwischen dürfte sie seine erste Nachricht erhalten haben.
Ob sie sich wohl über die schönen alten Bilder freute?
Er hätte sie fragen, sie anrufen können, ohne Zweifel. Doch er wollte ihr Zeit lassen.
Wenn einem wirklich an jemandem etwas liegt, kann man warten, spielt die Zeit nur eine untergeordnete Rolle, ist nichts weiter als nur ein Aspekt unter vielen.
Sie würde wieder zu ihm gehören, wenn die Zeit reif war.
Und dann würde sie sich fragen müssen, warum sie überhaupt gegangen war, warum sie ihn verlassen hatte, wenn sie erst einmal erkannte, dass auch sie ihn brauchte.
10.
Was bringt einem das Leben?
Warum kann man nicht einfach irgendwo neu anfangen, ohne dass einen die Geister der Vergangenheit verfolgen? Warum lässt einen sein gelebtes Leben nicht los?
Und dann diese neuen Bekannten.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass ich die Psychopathen regelrecht anziehe, dass ich den Nährboden für ihr alles verschlingendes, um Aufmerksamkeit heischendes Wesen bin.
Doch ich kann nicht aus meiner Haut heraus, ich bin, wie ich bin, wie die Gegebenheiten meines Lebens mich geschaffen haben.
Manchmal möchte ich schreien, möchte
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