Mord fuer Mord
die Wut an irgendjemandem auslassen, und es spielt keine Rolle, ob derjenige an meinem Unglück beteiligt ist.
Manchmal möchte ich töten, meine Peiniger brutal niedermetzeln, im Traum, wenn ich sie zu fassen bekomme.
Und manchmal liege ich da, wie heute Nacht, und weine still in mich hinein, verzweifle, sterbe tausend Tode, und mein Leben kommt mir so unnütz, so ungelebt vor, als ob ich es nicht verdient hätte zu sein. Als ob es mir ganz recht geschähe und ich selbst schuld an meiner Misere wäre.
Auf der Arbeit, als Vorgesetzte, als Kriminalhauptkommissarin, kann ich mir keine Blöße leisten, ich muss funktionieren, muss selbstbewusst sein, aber hier, allein in meinem Zimmer, holt mich mein eigenes Leben ein.
Irgendwie bin ich in einer Sackgasse gelandet, ich kann mich keinesfalls voran bewegen, doch den Rückwärtsgang einzulegen, fehlt mir der Mut, die Bereitschaft, etwas grundlegend zu ändern.
Früher war das anders – mit welchem Elan hatte ich doch meine erste Stelle angetreten, und alles lief recht zuversichtlich – eine nette Beziehung, eine schöne Wohnung, nur die Aussicht, meinen Beruf zugunsten einer Schwangerschaft aufzugeben, hatte ich noch nicht in Betracht gezogen.
Doch von einem Moment zum anderen wurde plötzlich alles anders
Eine Art Kettenreaktion setzte sich in Gang, und alles, was mir vormals als sicher galt, konnte der Realität nicht standhalten.
Angefangen hatte alles mit einem Autounfall, bei dem meine Eltern ums Leben kamen. Meine offensichtlich starke und wohl auch zu lange Trauer kostete mich meine Beziehung, meine Wohnung und den Großteil meiner Bekannten. Das letzte Glied in dieser Kette aber war jener verhängnisvolle Abend, an dem ich eine neue Beziehung einging.
Ich brauchte doch nur jemanden zum Anlehnen, jemanden, der mich tröstete.
Er hätte ein Teil meines Lebens sein können, aber er sollte nicht mein Leben bestimmen, mich Tag und Nacht verfolgen, sodass ich nicht eine Minute für mich hatte.
Es war mir klar, er würde mich nicht gehen lassen.
Und loswerden würde ich ihn dort auch nicht. Es gab auch keine Möglichkeit, ihn gerichtlich zu belangen, denn er ließ sich nichts zuschulden kommen. Wie kann man sich auch gegen üppige Blumensträuße und Liebeserklärungen im Minutentakt erwehren?
Und so war ich hier gelandet, im Fränkischen, abgelegen, ruhig.
Doch ich hatte mich getäuscht.
So einfach konnte man seinem Schicksal wohl nicht entkommen.
Vielleicht hätte ich mich Kaspar, dem Kommissar Dinkel, doch anvertrauen sollen.
Es beruhigt die Nerven, wenn man sich jemandem mitteilen kann.
11.
Mittwoch, 13. August 2008
Als ich des Morgens unser Büro betrete, fällt mir ein kleiner Karton auf, der auf meinem Schreibtisch abgestellt ist. Daneben liegen sorgfältig ausgefüllte Berichte, die augenscheinlich von Herrn Karl stammen.
Überrascht nehme ich die Papiere in die Hand und überfliege noch rasch im Augenwinkel den Inhalt des Kartons.
Ist es denn die Möglichkeit?
In dem Karton befinden sich Autoschlüssel, ein Geldbeutel und ... ein kleines Notizbuch.
Ich setze mich und lege die Papiere beiseite.
Da steht auch schon Kommissar Karl im Türrahmen, er hat zwei Pappbecher mit Kaffee dabei und lächelt mich freundlich an.
»Darf ich mich mit einem kleinen Kaffee entschuldigen?«
Mit gerunzelter Stirn und fragendem Blick schaue ich zurück.
»Nun«, fährt er fort, »es war vielleicht nicht gerade die feine englische Art, gestern einfach zu verschwinden, ohne Ihnen Bescheid zu geben. Ich hatte einen wichtigen Termin und es einfach vergessen. Es war keine böse Absicht.«
»Wenn Sie das sagen.«
Er stellt mir den Kaffee direkt vor die Nase.
»Milch und zwei Stück Zucker, wie Sie es lieben...«
Ich nippe an meinem Kaffee und gebe ihm damit zu verstehen, dass ich seine Entschuldigung annehme, zumindest für diese Angelegenheit. Doch es gibt ja noch Weiteres zu klären.
»Der Karton?«
»Ist gerade vor fünf Minuten mitsamt Inhalt von der Spusi abgeliefert worden.«
Ich vermeide es, ihm in die Augen zu sehen, er braucht nicht unbedingt zu wissen, dass ich weiß, dass das schwarze Notizbuch niemals dort aufgetaucht ist.
»Um Sie gnädig zu stimmen, habe ich nun auch alle Protokolle und Berichte diesen Fall betreffend beigelegt. Natürlich auch das Vernehmungsprotokoll von gestern. Weiterhin ist dabei auch noch der Bericht von der forensischen. Insgesamt sind Spuren von mindestens zwölf verschiedenen Personen am Tatort gefunden worden,
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