Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
irritiert. »Ich lasse sie nicht ganz allein zurück. Abgesehen davon steht sie kurz vor ihrem neunzehnten Geburtstag. Sie ist kein Kind mehr. Wenn Sie es genau wissen wollen, Max - das ist mein Verlobter - und ich haben versucht, sie zu überreden, in den Staaten auf ein College zu gehen. Aber sie wollte unbedingt hier in Großbritannien bleiben.« Bridget zuckte die Schultern. »Das Problem ist vielmehr mein Onkel, nicht meine Tochter. Ich kann meine Pläne nicht einfach so wegen ihm ändern. Er kann nicht allein in diesem Haus wohnen bleiben. Er kann aber auch nicht nach Balaclava zurück, das steht völlig außer Frage. Er wird es nicht akzeptieren, aber er muss das alte Museumsstück verkaufen - wenn er einen Käufer findet - und in ein Heim für betreutes Wohnen ziehen. Der alte Knabe könnte den Rest seiner Tage in relativem Komfort verbringen. Aber versuchen Sie mal, ihm das beizubringen!«
Bridget zuckte die Schultern. »Sie finden ihn hinten, in der äußersten Ecke des Gartens. Dort gibt es eine Bank.« Sie ging ins Haus zurück, und Jess musste sich den Weg selbst suchen.
Sie war froh, dass Bridget sie nicht in den Garten begleitet hatte. Sie wollte nicht, dass Monty verärgert reagierte wegen seiner Nichte, wenn Jess versuchte, sich mit ihm zu unterhalten. Sie war selbst irritiert angesichts Bridgets Selbstversunkenheit und ihrem mangelnden Mitgefühl für den alten Mann.
Sie umrundete die Ecke des Hauses, und die Nachmittagssonne schien ihr mitten ins Gesicht und blendete sie für einen Moment. Sie hob eine Hand, um die Augen abzuschirmen.
Von Tansy war nirgendwo eine Spur zu sehen. Sie schien hinten herum wieder zurück ins Haus geschlüpft zu sein. Der Garten war sorgfältig auf wenig Pflege ausgerichtet - hauptsächlich Rasen mit einem umgebenden Saum aus Büschen und Sträuchern. In einer der hinteren Ecken bemerkte sie eine gepflasterte Terrasse mit einer Laube und einer Sitzbank. Ein Beinpaar lugte hinter den Buschreihen hervor. Jess ging darauf zu. »Monty?«
Monty saß auf der Bank und nippte seinen Whisky. Er war kaum wiederzuerkennen - sauber gewaschen und mit frisch geschnittenen ordentlich gekämmten Haaren. Leider hatte es den unbeabsichtigten Nebeneffekt, dass er noch älter und zerbrechlicher aussah. Sein vorheriges schmuddeliges, verlebtes Äußeres war zugleich Verkleidung und Panzer für ihn gewesen. Nun sah er aus, als steckte er in der falschen Haut. Als Jess' Schatten auf ihn fiel, schrak er hoch und legte schützend die Hand um sein Glas.
»Oh«, sagte er erleichtert und seufzte. »Sie sind es. Ich dachte schon, Bridget wäre gekommen, um mich herumzukommandieren und mich daran zu hindern, meinen einzigen Trost im Leben zu genießen.«
»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich zu Ihnen setze?«, fragte Jess.
»Tun Sie sich keinen Zwang an, Miss.« Er rutschte ein Stück zur Seite und deutete auf den frei gewordenen Platz neben sich.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte Jess, nachdem sie sich gesetzt hatte. »Wie fühlen Sie sich?«
»Ganz furchtbar. Aber nicht wegen diesem elenden Toten in meinem Haus. Sehen Sie mich nur an!«
»Sehr schick«, sagte Jess mit einem Blick auf all die neuen Sachen, die er trug.
Monty stieß ein Raubtierknurren aus. »Schick? Warum um alles in der Welt sollte ich schick aussehen wollen? Ich gehe weder zu einer Hochzeit noch zu einer Beerdigung! Ich sitze in einem Garten. Es ist zwar nicht mein eigener, aber es ist ein Garten ...« Er hielt inne und ließ den Blick in die Runde schweifen. »... eine Art Garten zumindest«, sagte er dann.
Er nippte an seinem Glas, und sein Ärger schien zu verfliegen. »Haben Sie ihn schon mitgenommen?«
»Den Toten, meinen Sie? Ja, den haben wir mitgenommen.«
»Dann kann ich zurück?«
»Na ja ...« Jess zögerte. »Wir sind immer noch mit der Spurensuche auf dem Grundstück beschäftigt. Sie haben eine Menge Land, und es ist alles sehr, nun ja, überwachsen. Es zu durchsuchen ist nicht ganz einfach.«
Unerwartet kicherte Monty. »Land? Was glauben Sie denn dort zu finden? Natürlich ist es überwachsen. Ich kann den Garten nicht mehr hegen. Wissen Sie schon, wer er ist?«
»Nein, noch nicht. Aber wir finden es heraus.«
»Woran ist er gestorben?«
Monty blickte angestrengt geradeaus und mied den Augenkontakt mit Jess, doch die Frage kam klar und präzise. Er will also darüber reden, dachte Jess mit einiger Erleichterung. Er will nicht neugierig erscheinen, aber er will natürlich alles herausfinden, was
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