Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
Ende eines »Lückenjahres«, wie sie und ihre Mutter es nannten, bevor sie an eine Universität ging und irgendetwas studierte, von dem Monty noch nie ein Wort gehört hatte. Jedenfalls konnte man nicht sagen, dass ihr Leben langweilig war - nicht angesichts Bridgets Gewohnheit, gleich in Serie zu heiraten. Tansy war die meiste Zeit über in einem Internat gewesen, und die Aufgabe dieser Einrichtungen bestand, soweit Monty das sehen konnte, hauptsächlich darin, junge Damen von bösem Einfluss abzuschirmen, ungeeignete Freunde fernzuhalten und die Mädchen von den verschlagenen Wegen der Welt da draußen zu beschützen. Quasi vor all den Dingen, die das Leben überhaupt erst interessant machten.
Und jetzt hatte sich zum ersten Mal in ihrem jungen Leben etwas wirklich Unangenehmes ereignet, und die Welt da draußen platzte mit all ihrer schmuddeligen Garstigkeit herein.
Vielleicht schadete es Tansy ja auch gar nicht. Früher oder später musste sie sich den Realitäten ohnehin stellen. Sie würde darüber hinwegkommen, und sie würde von Glück reden können, wenn das Leben ihr nicht schlimmer mitspielte. Irgendwann würde sie einen Beruf ergreifen und Karriere machen oder einen netten Mann kennenlernen oder das tun, was junge Menschen heutzutage eben so taten. Er wollte verdammt sein, wenn er wusste, was das war.
Er hatte keine Zeit, sich den Kopf über Tansy zu zerbrechen. Die Polizistin, diese Inspector Jessica Campbell, war auf dem Weg hierher, um mit ihm zu reden. Der Gedanke machte ihn unruhig, allerdings nicht, weil er etwas zu verbergen gehabt hätte. Er hatte ihr alles gesagt, was er ihr über den Toten sagen konnte. Er wünschte, er hätte ihr noch mehr sagen können - irgendetwas Nützliches. Dann könnte die ganze Angelegenheit aufgeklärt werden, und er würde nicht länger von der Polizei belästigt werden. Doch bis es so weit war, musste er damit rechnen, dass Inspector Campbell ihm regelmäßig ihren Besuch abstattete. Rein menschlich betrachtet, als Person, hatte er nicht das Geringste gegen Inspector Campbell. Doch Jess Campbell besaß eine verblüffende Ähnlichkeit mit der lieben alten Penny. Kein Wunder, dass er von seiner Kindheit geträumt hatte und davon, wie Penny allein auf dem Hügel sitzen geblieben war, allein, tapfer, wütend, entschlossen und voller Angst.
»Sorry, Penny«, flüsterte er leise vor sich hin. »Sorry für die vielen Male, wo ich dich habe sitzen lassen. Du bist ständig in meinem Hinterkopf, weißt du? Deswegen habe ich auch so einen höllischen Schock gehabt, als diese Polizistin in mein Haus spaziert ist.«
Und später am Nachmittag würde sie erneut zu ihm kommen. »Verdammt, verdammt, verdammt«, murmelte er. »Du lachst dich wahrscheinlich halbtot über mich, Penny, wo auch immer du jetzt bist.«
K APITEL 7
Vor dem Haus der Harwells stieg Jess aus dem Wagen und hielt für einen kurzen Moment inne, um die Umgebung in Augenschein zu nehmen, bevor sie zum Eingangstor ging. Das Haus, so war sie von der Besitzerin gewarnt worden, lag »mehr oder weniger mitten im Nichts«, und tatsächlich, es stand ganz allein an einer Landstraße. Der geschnitzten Holztafel am Eingang zufolge nannte es sich The Old Lodge. Seinem Aussehen zufolge war es einst genau das gewesen - ein altes Torwächterhaus an der Zufahrt zu einem beachtlichen Anwesen. Sowohl die Zufahrt als auch das Tor wären längst verschwunden, genauso wie das Herrenhaus, das entweder abgerissen oder eingestürzt war. Das Land dahinter war ungenutzt und verwildert.
Bäume bildeten einen unruhigen Hintergrund zum Haus. Sie sahen aus wie die Reste eines einstigen Parks, der sich selbst überlassen worden war. Sie schirmten das Haus vom Wind ab und milderten den Eindruck, dass es von Gott und der Welt vergessen worden war. Das Haus selbst wirkte wie aus Grimms Märchen entliehen, mit geschwungenen Simsen aus geschnitztem Holz und kleinen Flügelfenstern mit dunkelgrün gestrichenen Läden. Der Weg, der sich vom Tor zum Eingang wand, war mit moosüberwachsenen Steinen gepflastert. Eine Mauer aus Trockensteinen umgab das gesamte Grundstück.
Einsam zu jeder Jahreszeit, und im Winter beinahe unerträglich, dachte Jess und runzelte die Stirn. Das Haus wollte so überhaupt nicht zu der anspruchsvollen Frau passen, als die sie Bridget Harwell kennengelernt hatte. Sie stellte sich vor, dass Bridget Gesellschaft liebte, das geschäftige Leben in der Stadt, die vielen Geschäfte und die hellen Lichter.
Sie trat durch das
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