Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
schwand. »Ich habe nichts damit zu tun«, sagte er.
Draußen war der Junge verschwunden. »Freu dich nicht zu früh, mein Sohn«, murmelte Morton. »Ich habe ein Auge auf dich. Verstecken hilft dir nicht weiter.«
Sebastian Pascal sah seinem Besucher durch die Scheiben hinterher, bis er gegangen war. Nach einem raschen Seitenblick auf Maureen, um sich zu überzeugen, dass sie zu tun hatte, kehrte er in sein Büro zurück und schloss leise hinter sich die Tür. Er nahm den Telefonhörer von der Gabel und wählte eine Nummer, und eine kurze Unterhaltung schloss sich an.
»Selbstverständlich habe ich nichts gesagt!«, endete Pascal ärgerlich. »Hältst du mich für bescheuert, oder was? Nein, ich kann nichts machen deswegen. Ich komme nicht mehr rein. Die Polizei hat alles versiegelt. Ich werde nicht einbrechen. Wenn die Cops zurückkommen, merken sie es sofort. Nein. Nein. Wir müssen einfach hoffen, dass niemand etwas findet!«
Er warf den Hörer auf die Gabel und stand einen Moment lang still da, während er auf das Telefon starrte. »Verdammt ...«, murmelte er leise.
Der Tag war zu Ende, ohne dass sie herausgefunden hätten, wer der Tote war. Carter äußerte vorsichtigen Optimismus, dass es nicht mehr lange dauern konnte.
»Wahrscheinlich wird sich morgen oder übermorgen jemand melden«, sagte er zu Jess, als sie an jenem Abend das Dienstgebäude verließen und zum Parkplatz gingen. »Ein gutgekleideter, allem Anschein nach gutsituierter Bürger wie er - irgendjemand muss ihn vermissen.«
Jess erwähnte nicht, dass Morton die Angelegenheit weit weniger optimistisch sah.
»Vielleicht war er Ausländer?«, hatte der Sergeant pessimistisch angemerkt.
»Seine Kleidung sieht aus, als wäre sie hier gekauft worden«, hatte Jess erwidert. »Auch wenn ich zugeben muss, dass es heutzutage schwierig ist festzustellen. Alles wird in China gemacht. Trotzdem, die Sachen sehen englisch aus.«
Morton hatte auf seiner Theorie beharrt. »Er könnte trotzdem Ausländer sein. Das Land ist voll mit Menschen, die erst relativ kurze Zeit hier leben. Schön, er hat sich anständige Sachen gekauft, nachdem er erst hier war. Er hat beschlossen, nicht weiter aufzufallen.«
»Ist das Ihre Idee oder die von Milada?«, erkundigte sich Jess in Anspielung auf Mortons tschechische Freundin.
»Ich rede mit Milada nicht über meine Arbeit«, hatte Morton indigniert geantwortet.
Jess hatte nur gegrinst, und Morton war ärgerlich nach Hause stolziert.
Jetzt war sie selbst zu Hause und sperrte mit einem erleichterten Seufzer die Tür zu ihrer Wohnung in Cheltenham auf. Manchmal bedauerte sie ihr einsames Leben. Einer der Nachteile bestand darin, dass sie sich ununterbrochen gegenüber ihrer Mutter rechtfertigen musste. Andererseits hatte ihre Mutter schon den Wunsch der Tochter nicht verstanden, zur Polizei zu gehen. Und als sie beim Criminal Investigation Department angefangen und dies bei einem Anruf zu Hause voller Stolz verkündet hatte, war die Antwort ein Ausruf der Bestürzung gewesen. Ihre Beförderung zum Inspector war widerwillig zur Kenntnis genommen worden, nur um sogleich gefolgt zu werden von: »Das ist alles schön und gut, Jess, aber so eine gehobene Position verscheucht nur die Männer.«
Jessicas Erwiderung, dass diese Sorte Männer ohnehin äußerst unsicher sein müsse, fand keinen mütterlichen Gefallen. »Du hast schon immer schnippische Antworten gegeben, und sieh nur, wohin es dich gebracht hat!« Es ist nicht schwierig, mit Tansy Mitgefühl zu empfinden, dachte Jess.
Doch an diesem Abend, als sie in ihre Wohnung kam und alles genauso vorfand, wie sie es am Morgen zurückgelassen hatte, genoss sie ihre eigene Wohnung und ihr Leben als Single nach einem geschäftigen und oft frustrierenden Arbeitstag. Leider war ihr Vergnügen nur von kurzer Dauer. Die rote Anzeige ihres Anrufbeantworters blinkte unheilverkündend.
»Nicht die Arbeit, bitte ...«, murmelte sie stöhnend und drückte auf den Wiedergabeknopf. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie gerade nach Hause gekommen war und direkt wieder ins Büro gerufen wurde.
»Hi Jess«, sagte die Stimme von Tom Palmer vergnügt. »Lust auf ein Pint und ein Curry? Oder lieber eine Schüssel Pasta und ein Glas Wein?«
Sie konnte einfach anrufen und ihm absagen - Tom würde nicht beleidigt reagieren. Ihre Freundschaft würde das nicht beeinträchtigen. Aber vielleicht hatte Tom auf der Arbeit einen schlimmen Tag hinter sich und brauchte ein wenig Ablenkung. Er
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