Mord im Atrium
mich schätzen konnte. Zwischen uns herrschte ein Moment ruhigen Einverständnisses.
»Also erzähl mal. Was wollte Zosime?«
Helena zog ihre Hand zurück, um in das Olivenschälchen zu greifen – kleine, weiche, schwarze, eingelegt in Knoblauch und Kerbel. »Sie ist eine Frau in den Fünfzigern, würde ich sagen, einst als Krankenschwester tätig, nennt sich jetzt aber Ärztin und hat vermutlich viel Erfahrung. Sie kümmert sich um die weiblichen Patienten im Tempel, solche mit gynäkologischen Problemen.«
»Wurde sie demnach zu Veleda gerufen, weil die Seherin Beschwerden dieser Art hatte?«
»Na ja, Zosime sagte, ihrer Meinung nach hätte Veleda nichts in der Art, und die Quadrumati hätten nach ihr geschickt, weil sie von einem ihrer anderen Ärzte empfohlen worden sei. Veleda litt an einer allgemeineren Krankheit, verbunden mit Fieberschüben und furchtbaren Kopfschmerzen. Die Schmerzen waren sogar so stark, dass Veleda um diese schreckliche Operation bat, bei der den Leuten ein Loch in den Schädel gebohrt wird …«
»Trepanation.«
»Jemand hatte ihr erzählt, ein römischer Chirurg würde sie durchführen. Veleda hatte sich eingeredet, das würde den Druck in ihrem Kopf vermindern.« Helena erschauerte. »Mir kommt das drastisch vor. Sie muss verzweifelt gewesen sein – obwohl sie inzwischen wusste, dass sie sowieso zum Tode verurteilt war.«
»Vor dem Henker mag es kein Entrinnen geben, aber Patienten sollen Trepanationen schon überlebt haben«, sagte ich. »Allerdings nicht viele – worüber sich die Ärzte natürlich ausschweigen. Was hat Zosime vorgeschlagen, um Veleda zu helfen?«
»Zosime arbeitet nach schonenderen Prinzipien, die sie als ›sanft, sicher und sacht‹ bezeichnet. Sie gehen auf uralte griechische Theorien zurück, auf die hippokratische Tradition, die zur Behandlung von Krankheiten eine Mischung aus Diäten, Bewegung und Ruhe einsetzt. Zosime wurde jedoch keine Möglichkeit gegeben, das auszuprobieren. Sie verschrieb eine vernünftige Kur, aber ihr wurde nahegelegt, nicht wiederzukommen.«
Ich war verblüfft. »Die Quadrumati haben sie ausgesperrt?«
»Nichts so Ungehobeltes. Doch sie verstand den Wink und stellte ihre Besuche ein.«
»War Veleda mit ihr zufrieden?«
»Zosime glaubte schon. Doch es war offensichtlich, dass Veleda nicht frei bestimmen konnte.«
»Hatte man Zosime mitgeteilt, dass ihre Patientin eine Gefangene ist?«
»Nicht direkt.«
»Du glaubst, sie wusste es?«
»Ich glaube, sie ist sehr scharfsinnig«, erwiderte Helena.
»Und könnte sie Veleda erneut behandelt haben, nachdem die aus dem Haus geflohen war?«
»Möglich. Ich habe sie nicht danach gefragt. Wie konnte ich, ohne Dinge zu enthüllen, die doch geheim bleiben sollten?« Diesmal enthielt Helenas Ton eine leichte Andeutung darauf, dass die Misslichkeiten meines Auftrags mein Fehler wären.
»Na gut, geh noch ein bisschen zurück. Warum glaubte Zosime, sie sei im Haus des Senators nicht mehr willkommen?«
»Ich hatte den Eindruck, es könnte zu Auseinandersetzungen mit einem der anderen Ärzte gekommen sein, die von der Familie konsultiert werden, wie du mir erzählt hast. Sie murmelte etwas über Mastarna und benutzte den Ausdruck ›verdammter dämlicher Dogmatiker‹. Ich habe nachgehakt …« Helena konnte bei Verhören hartnäckig sein. Sie sah mich lächeln und warf mit einer Olive nach mir. Ich sperrte den Mund auf, und die Olive segelte direkt hinein, womit ich mich hämisch brüstete. »Dein Mund ist auch groß genug dafür, Falco! … Anscheinend war Mastarna derjenige, der Veleda zur Trepanation drängte. Zosime war vorsichtig mit dem, was sie mir erzählte – vielleicht, weil sie eine Frau ist, die in ein Gebiet eindringt, das männliche Ärzte für ihr Territorium halten –, aber sie hatte eindeutig das Gefühl, dass Mastarna sich gar nicht erst bemüht hatte, eine ordentliche Diagnose zu stellen, sondern absolut für eine radikale Operation war.«
Ich sann über diese Theorie nach. »Glaubst du, dass dieser verrückte Messerschwinger Veleda nach Zosimes Weggang überredete, eine Trepanation durchzuführen, ihr ein Loch in den Kopf bohrte und sie durch diese Behandlung umbrachte – woraufhin jemand ihre Leiche versteckte, um politische Peinlichkeiten zu umgehen?«
»Darauf hat Zosime nicht angespielt.«
»Wenn sie nicht mehr ins Haus kam, würde sie es nicht wissen. Mag sein, dass sie nie mit derart hinterhältigen Menschen zu tun hat, wie sie uns über den
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