Mord im Atrium
etwas kalten Fisch, Oliven und weichen Käse. Ich musterte Helena eindringlich, aber sie wirkte ganz locker. Während der Vorbereitung für die Saturnalien eine Horde Soldaten ins Haus zu bekommen brachte sie nicht aus der Fassung. In Wahrheit genoss Helena Justina Herausforderungen.
Aus einer Ecke des Raums wurden wir von unserem neuen Koch Jacinthus beobachtet. Falls es ihn gestört hätte, dass wir in sein Reich eingedrungen waren, hätten wir ihm die Auswahl der Speisen und das Servieren überlassen, aber es schien ihm gleichgültig zu sein. Daher übernahmen wir den gescheuerten Tisch, auf dem er eigentlich Vorbereitungen machen sollte, ich holte einen Krug Weißwein, den wir für uns aufhoben, und wir sprachen unseren Tag durch, wie wir es immer taten, Koch oder kein Koch. Ich hatte schon mit unterschiedlichen Partnern gearbeitet, zu denen auch die zwei Brüder von Helena gehört hatten. Am liebsten arbeitete ich jedoch mit Helena Justina selbst. Unvoreingenommen, wach und intelligent, hatte sie meine Vorgehensweisen und Methoden gleich von Beginn unseres Kennenlernens an begriffen. Seitdem war sie meine Vertraute. Sie half mir, Ideen durchzukauen, begleitete mich wenn möglich zu Befragungen, erforschte Hintergründe, stellte Zeitpläne zusammen, kam oft auf Lösungen. Wichtiger noch, sie überwachte meine Finanzen. Der beste Privatermittler der Welt ist nutzlos, wenn er insolvent wird.
»Alles in Ordnung, Liebling?«
»Wir haben uns eingerichtet.« Helena gelang es, Tadel wegen des plötzlichen Eintreffens der Soldaten mit der Anerkennung meiner guten Manieren, überhaupt gefragt zu haben, zu vereinen. Sie wusste, wie die meisten Ehemänner waren, auch aus eigener Erfahrung, da sie schon einmal verheiratet gewesen war. Daher übernahm Dankbarkeit den Vorrang vor Beschwerden. »Die Legionäre haben die Räume im Erdgeschoss belegt. Erst haben sie etwas gemault, aber du wirst bemerkt haben, dass sie jetzt alle brav in ihren Quartieren sind.« Ich hob die Augenbrauen, doch Helena ging nicht näher darauf ein. »Clemens hat sich wegen der Feuchtigkeit beschwert. Ich habe ihm erklärt, dass der Tiber uns jedes Frühjahr überflutet, und angemerkt, es wäre vielleicht von Vorteil, wenn sie vorher abzögen … Wenigstens drückt das Abwasser nicht bis in unser Haus hoch. Ich habe gehört, dass es drei Häuser weiter ganz grauenvoll stinkt und alle krank geworden sind.«
»Bei uns steigt die Scheiße nicht hoch«, erklärte ich, »weil mein Vater in der ganzen Zeit, die er hier gewohnt hat« – was zwanzig Jahre gewesen sein mussten –, »nie für einen Anschluss zur Cloaca Maxima gezahlt hat. Es sieht zwar so aus, als würde sich unser Abtritt in das Abwassersystem der Stadt entleeren, aber unser Dreck fließt bloß in eine große Senkgrube hinter dem Haus.«
»Na, wenigstens gibt es eine Senkgrube«, erwiderte Helena fröhlich. »Noch Käse, Marcus?«
Nachdenklich und schweigend aßen wir weiter. Jeden Augenblick würden wir nun beginnen, über meinen Auftrag zu reden. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Jacinthus immer noch zu uns herblickte. Da er ein Sklave war, fiel es leicht, ihn zu ignorieren, aber das sollte ich vielleicht lieber nicht tun. Er war schlank und dunkel, etwa fünfundzwanzig Jahre alt. Als ich ihn kaufte, hatte mir der Händler weisgemacht, Jacinthus’ vorheriger Besitzer habe ihn verkauft, weil er ein neues Gesicht im Haus haben wollte. Ich traute der Geschichte nicht. Ich fragte mich, woher Jacinthus ursprünglich stammte. Wie die Mehrheit der Sklaven sah er eher wie jemand aus dem Osten aus und überhaupt nicht germanisch. Ich sollte mich mal näher mit seiner Herkunft beschäftigen, wenn wir weiterhin so frei vor ihm sprechen wollten.
»Du hattest heute Abend Besuch, Marcus. Eine Frau namens Zosime.«
»Aus dem Aesculapius-Tempel? Ich hatte nicht erwartet, dass sie mich aufsuchen würde, sonst hätte ich dich darauf vorbereitet, Liebling.«
»Selbstverständlich!«, erwiderte Helena ironisch. Erneut blieb ihr Beschwerderecht unausgesprochen: Ich war ein gedankenloses Schwein und sie überaus tolerant. In manchen Häusern wäre für diese glückliche Lösung ein gewaltiger Schmuckeinkauf nötig. Ich wischte mir Olivenöl mit der Serviette ab und küsste ihr dann in dem entspannten Eingeständnis die Hand, dass ich sie nicht verdient hatte. Danach hielt ich die Hand noch ein bisschen länger fest, legte ihre langen Finger auf meine Wange und sann darüber nach, wie glücklich ich
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