Mord im Atrium
nicht.«
Bei einem Staatsdiener kann man sich doch immer auf eine realistische Sichtweise verlassen.
In ein paar knappen Sätzen fasste ich für ihn meinen Auftrag zusammen.
Es gab einen Grund, warum ich Petronius ins Vertrauen zog. Ich erklärte – obwohl es für ihn vollkommen offensichtlich war –, dass ich, da ich ganz Rom nach ihr absuchen musste, und das ohne jeglichen Hinweis, wenige Chancen hatte, Veleda zu finden, ganz zu schweigen von Veleda und Justinus, und das nur mit Hilfe einer Handvoll lustloser Legionäre aus Germanien.
»Die Sache stinkt.« Er klang gelassen.
»Erstaunt?«
»Ist mal wieder einer deiner typischen Aufträge, du Idiot. Du wirst wie üblich unsere Hilfe brauchen.«
»Absoluter Scheißdreck«, stimmte ich ruhig zu. »Der sich, wie du so richtig bemerkt hast, um kein Jota von meinen üblichen Aufträgen unterscheidet. Dass Veleda in Rom frei herumläuft, und das bereits seit über zehn Tagen, ist ein äußerst heikles Staatsgeheimnis …«
»Von dem jeder gehört hat«, schnaubte Petro. Er stieß einen weiteren Rülpser aus, von denen er behauptete, sie würden ihn in Form halten. Maia blickte nur finster. Sie benahmen sich wie ein altes Ehepaar. Obwohl beide vorher andere Verbindungen eingegangen waren, fanden die meisten von uns, sie hätten sich von Anfang an das Bett teilen sollen.
Ich fuhr fort: »Anacrites hat den Befehl über die offizielle Jagd und setzt dazu die Prätorianer ein …« Diesmal fluchte Petronius offen. »Ganz genau! Wenn die Prätorianer, befeuert durch Saturnalienwein, Veleda finden, wird sie zu einem neuen und grausigen Festspielzeug.« Die Vigiles würden ebenfalls nicht sanft mit ihr umgehen, aber das überließ ich seiner Vorstellungskraft. Petro war sich durchaus bewusst, dass seine Kohorte aus Grobianen und Schlägertypen bestand. In Wahrheit war er stolz auf sie. »Und die Allgemeinheit fürchtet sich davor, dass Barbaren in die Zitadelle einfallen. Daher werden sie Veleda in Stücke reißen.«
Maia, die geschwiegen hatte und anscheinend in ihre Saturnalienliste vertieft war, blickte auf und warf in bissigem Ton ein: »Das ist noch gar nichts im Vergleich zu dem, was Claudia Rufina tun wird, wenn sie das Germanenweib in die Finger kriegt.« Petronius und ich zuckten zusammen.
»Gib mir eine Beschreibung, die ich rumreichen kann«, bot Petro an.
»Ich würde das gerne vor deinem Tribun verheimlichen, weißt du.«
»Sei doch realistisch, Falco. Rubella muss Bescheid wissen, und darüber hinaus seine Kollegen. Das muss an alle Kohortentribune weitergegeben werden, weil Veleda überall sein könnte. Sie könnte wissen, dass du auf dem Aventin wohnst und Justinus an der Porta Capena, aber in wie vielen Wochen – fast zwei – ist sie weder bei dir noch bei ihm aufgekreuzt. Also könnte sie sich jetzt in jedem der Bezirke verstecken, vorausgesetzt, sie versteckt sich tatsächlich und wird nicht irgendwo gegen ihren Willen von einem Drecksack festgehalten.« Ich wollte protestieren, aber er wehrte mich ab. »Ich kann es als Spiel verkaufen, das den Tribunen gefallen wird: ›Findet die verlorene Gefangene als Erste, um die Prätorianer zu verärgern.‹ Sie werden darauf anspringen und diskret sein.«
Das konnte durchaus funktionieren. Theoretisch war der Prätorianerpräfekt für den Kaiser zuständig, der Stadtpräfekt für die Stadt bei Tage, und der Präfekt der Vigiles befehligte die Nachtwache; laut ihrem Regelbuch arbeiteten die drei Truppen harmonisch zusammen. In Wahrheit herrschte ernsthafte Rivalität. Die unguten Gefühle gingen mindestens zurück bis auf die Zeit von Kaiser Tiberius und dessen Bedrohung durch den Usurpator Sejanus, der die Loyalität der Prätorianer hatte. Da er seiner eigenen kaiserlichen Garde nicht trauen konnte, hatte der schlaue Tiberius die Vigiles benutzt, um Sejanus gefangen zu nehmen. Die Prätorianer gaben inzwischen gerne vor, dass es nie passiert war – aber die Vigiles vergaßen es nie.
»Du könntest auch den städtischen Kohorten zuflüstern, dass ihre großen Brüder überall in der Stadt herumstänkern; die Städtischen werden ihr Territorium verteidigen.«
»Leider reden wir nicht mit den Städtischen. Aber ich hab auch schon daran gedacht«, sagte Petro.
Sollte allerdings herauskommen, dass ich die Vigiles in eine geheime, ausschließlich prätorianische Angelegenheit einbezogen hatte, würde meine Position … schwierig werden. Ich beschloss, mich damit erst auseinanderzusetzen,
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