Mord im Dirnenhaus
schlecht ergehen», meinte Neklas und zog Adelina an sich. Sie nickte und ging schweigend weiter.
«Wir müssen zum Rathaus und auf Reese warten», fuhr er fort. Hinter ihnen wurden Schritte laut. Thomasiuskam hinter ihnen hergelaufen. Als er sie eingeholt hatte, atmete er schwer.
«Eine Ungeheuerlichkeit», schnaufte er. «Ich habe keine Ahnung, woher Ihr wusstet, dass sie es war. Aber ich muss Euch zugestehen, dass Ihr im Recht wart.»
Neklas blieb stehen und zwang damit auch Adelina, in ihrem Schritt innezuhalten. Thomasius schob die Hände wieder in die Ärmel seiner Kutte. Er wirkte äußerst niedergeschlagen. «Sie hat ihr Seelenheil verwirkt, wegen dieser unaussprechlichen Sünde. Ich fürchte, alles Beten wird ihr nicht helfen können. Gott, der Allmächtige, wird sie richten.»
«Zunächst einmal werden die Schöffen sie richten», meinte Neklas, doch das ließ Thomasius nicht gelten.
«Ihre Strafe auf Erden ist nichts, verglichen mit dem Zorn des Herrn», widersprach er heftig. «Ihr solltet längst einen Vorgeschmack davon haben.»
«Das habe ich, das ist wahr», bestätigte Neklas. «Doch hat sich Gottes Zorn auf mich vermutlich längst gelegt, und das könnt auch Ihr nicht ändern.»
«Fangt Ihr schon wieder an!» Adelina zog ärgerlich die Brauen zusammen. «Bruder Thomasius, ich habe Euch als Zeugen mitgenommen, damit Ihr erkennt, dass Ihr uns nichts vorwerfen könnt. Und dabei solltet Ihr es nun auch belassen. Sucht Euch gefälligst jemand anderen, den Ihr mit Euren Verdächtigungen verfolgen könnt.» Sie wandte sich ab und marschierte, ohne sich noch einmal umzublicken, davon.
Nach wenigen Metern hatte Neklas sie eingeholt. «Wenn du weiter so mit ihm sprichst, wird er beginnen, dich zu mögen.» Er warf einen Blick über die Schulter. «Er ist fort, gut. Vermutlich trägt er den neuesten Klatsch in sein Kloster, von wo er sich binnen wenigerTage über die ganze Stadt verbreiten wird. Weshalb hast du ausgerechnet ihn mit in Entgens Haus genommen?»
«Er ist unausstehlich. Ich dachte, er würde einsehen, dass er im Unrecht war.»
«Das hat er auch, glaub mir. Ich kenne ihn gut genug, um das zu wissen. Doch er würde es niemals zugeben, und eine Entschuldigung wirst du erst recht nicht von ihm zu hören bekommen. Nein, für den Augenblick hast du ihm vielleicht den Wind aus den Segeln genommen, doch solange er in der Stadt bleibt, wird er immer wieder versuchen, uns, und vor allem mich, unlauterer Taten zu überführen. Ich fürchte, an ihm werden wir also noch lange Freude haben, denn er machte nicht den Eindruck, als würde er bald zurück nach Frankreich oder Italien gehen.»
«Du meinst, er bleibt für immer hier, nur um dich zu quälen?»
«Nun, er würde es den Versuch nennen, meine Seele zu retten, aber ja, ich denke, das dürfen wir befürchten.» Neklas drückte ihren Arm. «Allerdings werde ich diesmal nicht fortgehen, wie ich es früher getan habe. Ich … Wir», verbesserte er, «werden ihm die Stirn bieten müssen.»
Adelina nickte mit ernstem Gesicht. «Das müssen wir wohl. Aber du musst mir eines versprechen.» Sie sah ihn finster von der Seite an. «Verstecke niemals wieder verbotene Schriften in der Bibliothek des Erzbischofs. Verbrenne sie, bring sie außer Landes, aber bleib dem Palast fern. Ich will nicht, dass du jemals wieder ein solches Risiko eingehst.»
«Ein Risiko war es, da gebe ich dir recht.» Mit einem Lächeln drückte er sie erneut an sich. «Also gut. Sobaldich die Bücher aus der erzbischöflichen Bibliothek entfernt habe, bringe ich sie an einen ungefährlichen Ort.»
Adelina blieb stehen und starrte ihn entsetzt an. «Neklas, was ich meinte, war …»
«Ich weiß, mein Schatz. Und nun lass uns etwas schneller gehen. Es sieht aus, als ob es gleich Regen gibt, und das Rathaus ist nicht mehr weit.» Er zog sie einfach mit sich, und angesichts der vielen Menschen auf dem Alten Markt sah sich Adelina gezwungen, das Thema fallenzulassen.
20
Adelinas Laune hob sich, als sie erfuhr, dass Ludmilla doch noch am gleichen Abend freigelassen werden sollte. Gemeinsam mit Neklas machte sie sich auf zur Weckschnapp. Sie ließ Ludowig die Kutsche einspannen, denn sie fürchtete, dass Ludmilla nicht in der Lage sein würde zu laufen.
Pitter öffnete ihnen heute bereitwillig die Tür und brachte sie zu der Zelle. Als Adelina jedoch sah, in welch jämmerlichem Zustand sich Ludmilla befand, schwanden ihre Hoffnungen. Sie kniete neben der alten Frau nieder und fasste
Weitere Kostenlose Bücher