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Mord im Herbst: Roman (German Edition)

Mord im Herbst: Roman (German Edition)

Titel: Mord im Herbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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glänzendes Referat von Stefan Lindman. Nach vier Stunden, als alle Punkte besprochen waren, konnte Wallander nach einer Lüftungspause eine Zusammenfassung geben.
    Er brauchte nur wenige Worte, um zu sagen, worüber sich alle einig waren.
    Wir treten auf der Stelle.
    Sie hatten zwei Skelette, zwei Personen um die fünfzig, die ermordet worden waren. Aber sie kannten die Identität der Toten nicht und hatten auch sonst nichts in der Hand, womit sie weiterarbeiten konnten.
    »Die Vergangenheit hat ihre Türen zugeschlagen«, sagte Wallander, als sie freier miteinander redeten.
    Es war nicht nötig, neue Aufgaben zu verteilen. Sie folgten weiter den Wegen, die sie bereits eingeschlagen hatten. Bevor sie nicht wussten, wer diese beiden Menschen gewesen waren, steckten sie fest.
    In den vergangenen Wochen hatten Wallander und Martinsson mit wachsender Ungeduld nach Menschen gesucht, die mehr über die Kriegsjahre erzählen könnten, in denen Ludvig Hansson allein auf dem Hof gelebt hatte. Aber sie waren alle schon tot. Wallander hatte ein wiederkehrendes absurdes Gefühl, dass er eigentlich die Grabsteine auf den umliegenden Friedhöfen vernehmen müsste. Dort waren alle denkbaren Zeugen und Beteiligten. Dort konnte auch ein Täter liegen, mit all den Antworten, nach denen Wallander und seine Kollegen suchten.
    Martinsson teilte sein Gefühl der Aussichtslosigkeit, noch einen lebenden Menschen zu finden, der ihnen weiterhelfen konnte. Aber natürlich gaben sie nicht auf. Sie hielten sich an die Polizeiroutine, tauchten ein in verschiedene Archive und alte Verbrechensermittlungen, suchten weiter nach Zeugen, die vielleicht trotz ihres Alters etwas erzählen könnten.
    Eines Abends, als Wallander mit Kopfschmerzen nach Hause kam, setzte Linda sich zu ihm in die Küche und fragte, wie sie vorankämen.
    »Wir geben nicht auf«, entgegnete er. »Wir geben niemals auf.«
    Sie fragte nicht weiter. Sie kannte ihren Vater.
    Er hatte gesagt, was er zu sagen hatte.

17.
     
    Am 29. November gab es kräftige Schneefälle in Schonen. Die Unwetterfront zog von Westen heran und legte stundenlang nahezu den gesamten Flugverkehr in Sturup lahm. Auf der Landstraße zwischen Malmö und Ystad kamen zahlreiche Autos von der Straße ab. Doch nach einigen Stunden ließ der starke Wind plötzlich nach, es wurde milder, und der Schneefall ging in Regen über.
    Wallander stand am Fenster seines Büros im Polizeipräsidium und schaute hinaus auf die Straße, wo der Schnee vom Regen fortgewaschen wurde. Sein Telefon klingelte. Wie üblich fuhr er zusammen. Er meldete sich.
    »Hier ist Simon«, sagte eine Stimme.
    »Simon?«
    »Simon Larsson. Früher waren wir einmal Kollegen.«
    Wallander war erstaunt und glaubte zunächst, er habe falsch verstanden. Simon Larsson war Polizist in Ystad gewesen, als Wallander aus Malmö gekommen war. Es war viele Jahre her, und Simon Larsson war schon damals alt gewesen. Zwei Jahre nach Wallanders Ankunft in Ystad war er in Pension gegangen und vom damaligen Polizeipräsidenten verabschiedet worden. Simon Larsson hatte danach, soweit Wallander wusste, nie einen Besuch im Präsidium gemacht. Er hatte ein für alle Mal die Verbindungen gekappt. Irgendwann hatte Wallander gehört, Simon Larsson habe nördlich von Simrishamn eine kleine Apfelplantage, der er seine gesamte Zeit widmete.
    Wallander hätte nicht gedacht, dass Simon Larsson noch lebte. Er rechnete rasch im Kopf nach und kam zu dem Ergebnis, dass er mindestens fünfundachtzig Jahre alt sein musste.
    »Ich erinnere mich gut an dich«, sagte Wallander. »Aber ich muss sagen, dass dein Anruf mich überrascht.«
    »Du hast bestimmt gedacht, ich wäre tot. Manchmal denke ich das auch.«
    Wallander erwiderte nichts.
    »Ich habe von den beiden Toten gelesen, die ihr gefunden habt«, fuhr Larsson fort. »Ich kann dir dazu vielleicht etwas sagen.«
    »Was meinst du?«
    »Das, was ich sage. Wenn du zu mir kommst, habe ich vielleicht, aber wirklich nur vielleicht, etwas zu erzählen, was von Bedeutung sein kann.«
    Simon Larsson sprach mit klarer und wacher Stimme. Wallander schrieb seine Adresse auf. Es war ein Seniorenheim am Ortsrand von Tomelilla. Wallander versprach, ihn sofort zu besuchen. Er ging in Martinssons Zimmer, aber der Kollege war nicht da. Sein Handy lag auf dem Tisch. Wallander zuckte mit den Schultern und beschloss, allein nach Tomelilla zu fahren.
    Simon Larsson war ein gebrechlicher Mann mit zerfurchtem Gesicht. Er trug ein Hörgerät. Er öffnete

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