Mord im Herbst: Roman (German Edition)
hatte geschwitzt und versuchte, sich daran zu erinnern, was er geträumt hatte. Es war etwas mit Linda gewesen. Vielleicht ein Echo der Auseinandersetzung vom Vortag. Aber seine Erinnerung gab nichts her. Der Traum hatte die Tür hinter sich geschlossen.
Es war zehn vor fünf. Er blieb im Dunkeln liegen. Der Regen trommelte gegen sein Schlafzimmerfenster. Vergeblich versuchte er, wieder einzuschlafen. Nachdem er sich bis sechs Uhr im Bett hin und her geworfen hatte, stand er auf. Er blieb vor Lindas Tür stehen und horchte. Sie schnarchte leicht.
Er machte Kaffee und setzte sich in die Küche. Der Regen kam und ging in Böen. Ohne eigentlich darüber nachgedacht zu haben, nahm er sich vor, den Arbeitstag mit einem Besuch draußen auf dem Hof zu beginnen, wo sie das Skelett gefunden hatten. Was er sich davon versprach, wusste er nicht genau. Aber er kehrte oft an Tatorte zurück, nicht zuletzt, um seine ersten Eindrücke mit den hinzugekommenen abzugleichen.
Eine halbe Stunde später verließ er Ystad, und als er den Hof in Löderup erreichte, begann es gerade zu dämmern. Die Absperrbänder der Polizei waren noch da. Langsam ging er ums Haus und durch den Garten und fragte sich, ob er etwas sah, was ihm vorher nicht aufgefallen war. Was es hätte sein können, wusste er nicht. Etwas, das sich abhob, das abstach. Gleichzeitig versuchte er wieder, sich einen Ereignisverlauf vorzustellen.
Hier hat es einmal eine Frau gegeben, die diesen Ort nie mehr verlassen hat. Aber irgendjemand muss sich gefragt haben, wo sie geblieben ist. Und man hat ganz offenbar nicht hier gesucht. Keiner hat einen Verdacht gehabt, der dazu geführt hätte, dass die Polizei sich für diesen Hof interessierte.
Er blieb neben der Grube stehen, über die eine schmutzige Plane gespannt war.
Warum war der Körper gerade hier vergraben worden? Der Garten war groß. Jemand hatte eine Wahl getroffen. Hier, genau hier, und nicht anderswo.
Er ging weiter umher, während er die Fragen, die er formulierte, im Gedächtnis abspeicherte. In einiger Entfernung war ein Traktor zu hören. Eine einsame Weihe schwebte in der Luft und schoss plötzlich hinunter auf einen der Äcker, die das Haus umgaben. Er ging zur Grube zurück und sah sich noch einmal um. Eine Stelle neben einigen Johannisbeersträuchern weckte jetzt seine Aufmerksamkeit. Zuerst wusste er nicht genau, warum. Es war etwas mit den Proportionen im Verhältnis der Büsche zueinander. Der Garten war durch verschiedene Symmetrien geprägt, alles, was gepflanzt war, bildete Muster. Und auch wenn der Garten verwahrlost war, konnte er all diese Muster erkennen. Und etwas mit den Johannisbeersträuchern stimmte nicht.
Die Büsche waren eine Ausnahme, die gegen eine den Garten beherrschende Regelmäßigkeit verstieß.
Nach ein paar Minuten sah er, was es war. Es war kein Muster, das gestört worden war. Es war ein Muster, das fehlte. Die Sträucher einer Reihe standen krumm und schief – in einem Garten, der wie mit dem Lineal angelegt zu sein schien.
Er ging näher heran und untersuchte die Stelle genauer. Die Unordnung war nicht zu leugnen. Aber er konnte nicht erkennen, ob die Johannisbeersträucher zu verschiedenen Zeiten gepflanzt worden waren. Sie wirkten alle gleich alt.
Er überlegte. Die einzige Erklärung, auf die er kam, war die, dass die Büsche zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgegraben und anschließend wieder eingesetzt worden waren, und zwar von jemandem, der keinen Sinn für Symmetrie hatte.
Aber es gab noch eine andere Möglichkeit. Die Person, die die Büsche ausgegraben und wieder eingesetzt hatte, konnte es eilig gehabt haben.
Inzwischen war es acht Uhr und taghell. Er setzte sich auf eine der moosbewachsenen Steinbänke und betrachtete die Johannisbeersträucher. Bildete er sich etwas ein? Nach einer Viertelstunde war er sich sicher. Die Unordnung der Johannisbeersträucher erzählte eine Geschichte. Entweder von jemandem, der schlampig gewesen war, oder von jemandem, der es eilig gehabt hatte. Natürlich konnte es sich auch um ein und dieselbe Person handeln.
Er nahm sein Handy heraus und rief Nyberg an, der gerade an seinen Arbeitsplatz gekommen war.
»Tut mir leid, dass ich dich beim letzten Mal so spät angerufen habe«, sagte Wallander.
»Wenn es dir wirklich leid täte, hättest du schon vor langer Zeit aufgehört, mich zu jeder Zeit und Unzeit zu Hause anzurufen. Du hast mich schon um vier oder fünf Uhr am Morgen angerufen, ohne eine Frage zu haben, die nicht
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