Mord im Labor
ist unnötig«, fauchte sie.
Sie stand auf und blieb vor mir
stehen. Ihr Gesicht war starr vor Verachtung. Dann zog sie langsam den
schwarzen Pullover aus. Ich wartete, bis ihre Hände Anstalten trafen, nach
hinten zu greifen, um den BH aufzuhaken, dann sagte ich: »Okay, nun brauchst du
nicht mehr weiterzumachen.«
»Was soll das?« fragte sie mit
kalter Stimme. »Eine Gnadenfrist in der letzten Minute?«
»Es sollte lediglich beweisen,
wie weit du gehen würdest«, sagte ich. »Nun können wir also mit unseren Spielchen
aufhören. Zieh deinen Pullover wieder an, bevor du dir einen Schnupfen holst.«
Sie zog ihn schnell über den
Kopf, setzte ihre Brille wieder auf und sank in den Sessel zurück. »Nun hast du
mich völlig verwirrt«, sagte sie. »Was soll das Ganze eigentlich?«
»Kehren wir zum müßigen
Geplauder zurück«, sagte ich. »Ich habe ganz plötzlich den dringenden Wunsch,
dir mein Herz auszuschütten. Ich möchte dir erzählen, wie es einem
durchschnittlichen Bullen zumute ist, der zu seinem Pech plötzlich mit der gespenstischsten
Serie von Morden konfrontiert wird, die ihm in seiner ganzen Karriere
untergekommen sind.«
»Wenn du mich nicht aus
irgendeinem unerklärlichen Grund einfach an der Nase herumführen willst«, sagte
sie zweifelnd, »dann wäre mir nichts lieber, als Näheres darüber zu hören.«
»Großartig«, sagte ich und ließ
mir Zeit, erneut an meinem Martini zu trinken. »Die meisten Tatsachen kennst du
ohnehin. Fangen wir mit den beiden nackten Leichen in dem trübseligen Motelzimmer an. Ein Mann und eine Frau, beide erstochen.
Sie waren im Wagen der Frau angekommen, aber dieser Wagen ist verschwunden, und
die Kleider der beiden dazu. Der Motelmanager identifiziert die Frau als eine gewisse Jan O’Hara und erinnert sich daran, daß
sie zusammen mit einem anderen Mädchen wohnt. Dieses andere Mädchen stellte
sich als Judy Trent heraus, die ihrerseits die männliche Leiche als die Justin Everards , Forschungschemiker bei CalCon ,
identifiziert. Judy arbeitet ebenfalls bei CalCon ,
genau wie Mrs. O’Hara. Also liegt es für einen logisch
denkenden Polizeibeamten nahe, dorthin zu gehen.«
»Ich erinnere mich daran, als
wir uns kennenlernten, Al. Ich fürchte, ich war nicht sehr hilfreich.« Sie zog
die Beine unter sich und machte einen außerordentlich entspannten Eindruck.
»Tut mir leid, daß ich dich unterbrochen habe. Bitte sprich weiter.«
»Das erste, was mir bei CalCon auffiel, war der aseptische Eindruck, den dort alles
macht«, sagte ich. »Einschließlich der Leute. Browning fiel beinahe in
Ohnmacht, als ich seinen jungfräulichen Aschenbecher mit einem
Zigarettenstummel entweihte. Du in diesem ebenso jungfräulichen, wenn auch
attraktiven weißen Kittel. Demarest , der mit seiner
Pfeife und seinem Tweedanzug aus einer anderen Welt
zu kommen schien. Der einzige, der halbwegs real wirkte, war Tom Vaile . Dann war da noch etwas. Als ich die
Zeitkontrolltabelle durchsah, hatte ich den Eindruck, daß ihr alle den größten
Teil eures Daseins in diesem aseptischen Gebäude verbringt. Niemand schien den
Wunsch zu hegen, nach Hause zu gehen.«
»Forschung kann faszinierend
sein«, murmelte sie.
»Ganz sicher.« Ich suchte eine
Zigarette heraus und zündete sie an. »Anfangs gab es überhaupt keine Spuren.
Ich konnte also lediglich versuchen, ein Motiv zu finden. Die beiden Toten
hatten anscheinend heimlich eine gemeinsame Nacht in einem schäbigen Motelzimmer zubringen wollen, und da sie beide nackt waren,
als sie umgebracht wurden, lag der Gedanke nahe, daß es sich entweder um ein
Sexualverbrechen oder um eine Eifersuchtshandlung drehte. Judy Trent war
eifersüchtig auf dich, weil du ihr Everard weggeschnappt hattest. Jan O’Hara sei eine Nymphomanin gewesen, behauptete sie,
die sich ihre Männer auf der Straße aufgelesen hatte. Vielleicht warst du
eifersüchtig auf Jan gewesen, weil sie dir offensichtlich Everard weggenommen hatte. Dann tauchte etwas völlig anderes auf. Es gab da ein
Gerücht, daß Everard in seiner Forschungsarbeit auf
etwas außerordentlich Wichtiges gestoßen sei. Vielleicht wichtig genug, um jemand
zu einem Mord zu veranlassen, um an die Unterlagen zu gelangen. Diese
Unterlagen fehlten jedenfalls. Nach einer Weile gab sogar Browning zu, er habe
nach ihnen gesucht, ebenso wie du und Demarest . Aber
niemand hatte sie gefunden.«
»Was ist mit dem Zettel, den du
gefunden hast?« fragte sie. »Der mit den Formeln darauf?«
»Der Mörder lud
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