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Mord im Nord

Mord im Nord

Titel: Mord im Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Giger
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kleine Schweisstropfen auf meiner Stirn gebildet hatten, fragte auch nach, ob ich etwas hätte, liess sich jedoch wie die meisten Männer mit meiner gemurmelten Verneinung abspeisen und hing wieder laut seinen eigenen Gedanken nach.
    Das mit den offenkundigen Hinweisen auf Fremdeinwirkung liesse sich mit der Theorie der Machtdemonstration ja erklären, meinte er, doch rätselhaft bleibe die Geschichte mit dem Fundort und mit dem nicht erklärbaren Transport der Leiche. Auch ich fand dafür keine Erklärung, und zwar weder eine, die ich ihm gegenüber geäussert, noch eine, die ich ihm verschwiegen hätte.
    Beim dritten Halben wurde Karl melancholisch. Er gestand mir, dass seine Hoffnungen, diesen Fall aufzuklären, immer mehr gegen null tendierten. Dann beklagte er sich darüber, dass der Fall der ersten Leiche, die ich gefunden hätte, ebenfalls nicht wirklich aufgeklärt worden sei. Ich musste ihm innerlich recht geben: Ich wusste zwar mehr als Karl über die Hintergründe des Todes jenes aufstrebenden Dorfkönigs aus Appenzell, doch ob es nun Mord, Selbstmord oder ein simpler Unfall gewesen war, wusste ich letztlich ebenso wenig wie Karl.
    Ich behielt mein Wissen über jene Hintergründe und Zusammenhänge auch jetzt für mich. Ihm hätte es wenig gebracht, ich dagegen hätte in die Bredouille kommen können, wenn er etwas über die Quellen dieses Wissens erfahren hätte. Stattdessen hörte ich ihm geduldig zu, als er mich ermahnte, nicht weiterhin über Leichen zu stolpern, deren Fälle als ungelöst abgehakt werden müssten. Wenn es denn schon sein müsse, sollte ich doch bitte Mordopfer finden, deren Fälle sich einfach und rasch und somit zum Ruhme der Polizei lösen liessen.
    Auf meine Nachfrage hin wurde er wieder ernst und erklärte mir, dass unaufgeklärte Tötungsdelikte immer ein Stachel im Fleisch der Polizei seien. Jedermann wisse natürlich, dass es so was gebe, denn an besonders spektakuläre ungeklärte und ungesühnte Mordfälle wird in den Medien regelmässig zu runden Jahrestagen erinnert, doch bei den meisten Leuten dominiere die Vorstellung, die sich durch häufigen Konsum von Krimis in Buchform oder im Fernsehen in den Köpfen festgesetzt hat: Nach fünfundvierzig oder neunzig Minuten und spätestens auf den letzten Seiten des Buchs wird jeder Mordfall aufgeklärt.
    Leider sei das hier aber kein Krimi, sondern die Wirklichkeit, und in dieser werde eben keineswegs jeder Fall aufgeklärt und jeder Mörder überführt. Was niemandem mehr stinke als der Polizei. Ein noch stärkeres Tabu sei die durchaus bekannte Tatsache, dass keineswegs jedes Tötungsdelikt als solches erkannt werde. Schlampige Leichenschau oder fehlende Kapazitäten würden dazu führen, dass in einem Land wie Deutschland pro Jahr mehrere hundert Todesfälle als natürlich abgehakt werden, obwohl eigentlich jemand nachgeholfen hat. Übertragen auf die Schweiz seien das einige Dutzend Fälle. Zu denen hätte der Tod von Hans Bärlocher mit Sicherheit auch gehört, wenn es der Mörder denn nur gewollt hätte.
    Damit waren wir wieder am Anfang angelangt. Zum Glück waren wir beide noch nüchtern genug, um wahrzunehmen, dass wir begonnen hatten, uns geistig im Kreis zu drehen. Wir vertagten deshalb unser Gespräch. Karl liess es sich nicht nehmen, mich im Streifenwagen von einer netten Polizeibeamtin nach Hause fahren zu lassen, und ich nahm das ungewöhnliche Angebot an, war das letzte Postauto doch bereits abgefahren. Die Beamtin brachte mich die Waldstrasse hinauf bis zur Abzweigung, wo ich sie nach grösseren Dankesbezeugungen umkehren liess, um die paar letzten Schritte zu Fuss zu gehen. Ein fetter Mond am Himmel beleuchtete meinen Weg, und als ich nach erfolgreicher Ankunft noch einmal aus der Vordertür meines Häuschens trat, um noch etwas mehr frische Luft zu schnappen, querten vier Rehe die Wiese vor mir. Selbst dieses friedliche Bild vermochte nicht ganz die bohrenden Fragen zu vertreiben, die sich aus Karls Informationen geformt hatten.

Grenzen
    Adelina erwies sich als ebenso feinfühlige wie schnell denkende Zuhörerin. Auch ihr war aufgefallen, zu welcher Schlussfolgerung die These des Kriminalkommissars, es handle sich um eine Botschaft an gewisse Lebende, führen musste – oder jedenfalls führen konnte. Sie fragte mich deshalb ganz direkt, ob ich Angst habe, dass ich der Empfänger der Botschaft sein könne.
    Ich bejahte. Streng genommen gab es nur zwei, die von der möglichen Botschaft wussten, nämlich die

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