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Mord im Nord

Mord im Nord

Titel: Mord im Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Giger
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erhob sich Adelina spontan aus ihrem Sessel, kam zu mir rüber, beugte sich über mich, umarmte mich, drückte mir einen Kuss auf die Wange und bemitleidete mich ausreichend mit Worten. Ausgerechnet ich, das Sensibelchen, das keiner Fliege was zuleide tun könne, sei schon wieder mit einer so brutal harten Tatsache wie einem Leichenfund konfrontiert worden!
    Das mit den Fliegen stimmte zwar nicht wörtlich – während der Saison ist auch bei mir die Fliegenklatsche in häufigem Gebrauch –, wohl aber symbolisch, und nach den ganzen Aufregungen der letzten Tage tat mir Adelinas feinfühliger Trost ausgesprochen wohl. Tatsächlich habe ich lieber meine ungestörte Ruhe als irgendwelchen Trubel, und die Ereignisse der letzten Zeit hatten meinen Stresslevel beträchtlich erhöht. Doch das Leben hält sich nicht immer an die eigenen Bedürfnisse und Erwartungen.
    Solchermassen philosophisch und mit Speis, Trank und Rauch auch sonst gestärkt, konnte ich mit meiner Erzählung fortfahren.
    Karl Abderhalden, Chef der Kriminalpolizei des Kantons Appenzell Ausserrhoden und mit mir seit Längerem bekannt und in gewisser Weise freundschaftlich verbunden, sass im ersten Polizeiauto, das eine knappe Viertelstunde nach meinem Alarmruf auf dem schmalen Strässchen vom nahen Trogen recht halsbrecherisch heranbrauste. Nachdem er zufällig mitbekommen hatte, wer der Leichenfinder war, hatte er es sich nicht nehmen lassen, persönlich am Fundort zu erscheinen.
    Ich hätte ja wohl, frotzelte er gleich zur Begrüssung, einen neuen Beruf, ja eine neue Berufung gefunden, nämlich jene des Leichenaufspürens. Ob das ihnen, also der Polizei, die Arbeit erleichtere oder erschwere, müsse sich noch herausstellen. Er frage sich allerdings, ob dieses neue Tätigkeitsfeld nicht in Konflikt mit einem anderen gerate, jenem, die Marke Appenzell möglichst gut darzustellen und zu verkaufen. Denn das Appenzellerland sei weltbekannt als heile Welt, und in einer solchen dürfe es doch keinen Mord und Totschlag geben, wenngleich er als Polizeichef natürlich wüsste, dass das mit der heilen Welt mehr Mythos als Realität sei.
    Danach wurde Karl rasch wieder amtlich und hörte sich im Beisein jenes jungen und forschen Kriminalbeamten, mit dem ich bei meinem ersten Leichenfund schon konfrontiert worden war und der mir nicht in bester Erinnerung geblieben war, eine Kurzversion jener Geschichte an, die ich Adelina gerade erzählt hatte. Der junge Beamte, ein gewisser Stocker, machte sich eifrig Notizen, während Karl mir mit gelegentlichem Nachfragen half, auf der Erzählspur zu bleiben.
    Ich erzählte gerade vom Fund der Leiche, als der Kleinbus mit der Amtsärztin und dem Team der Spurensicherung eintraf. Allesamt waren die Spezialisten in futuristische weisse Schutzanzüge gehüllt und hatten Masken vor dem Gesicht. Der Anblick erinnert schon in Fernsehkrimis an Science-Fiction, doch hier, in der Realität eines weit abgelegenen, neblig feuchten Waldrands, wirkte er vollends surreal. Einzig die Satellitenschüssel, hinter der die Leiche von Hans Bärlocher noch immer lag, passte gut zum Ballett der Weltraumanzüge, das sich da in den gemächlichen Schrittfolgen von mit sicherer Routine ausgeführten Arbeiten entfaltete.
    Gute Aufnahmen vom Fundort erwiesen sich als schwierig, lag doch die Leiche direkt am steilen Abhang hinunter zum Bach, sodass, um auch von dieser Seite Bilder machen zu können, erst ein Sicherungsseil aus dem Bus herangeschafft und fixiert werden musste, mit dem der Fotograf gehalten wurde. Es dauerte also einige Zeit, bis die Amtsärztin sich die Leiche eingehender anschauen konnte. Sie kam zum Ergebnis, es sehe nach Herzstillstand aus, und Anzeichen von Fremdeinwirkung könne sie auf den ersten Blick nicht feststellen. Nach dem ungefähren Todeszeitpunkt gefragt, wollte sie sich nicht auf mehr als ein «irgendwann gestern am späteren Abend» festlegen, sie müsse auch erst die kalten Nachttemperaturen einrechnen, denn es sehe sehr so aus, als ob die Leiche die ganze Nacht draussen gelegen habe, und überhaupt ergebe sich wie immer Näheres erst durch die Obduktion.
    Nachdem sie somit alle aus sämtlichen Krimis sattsam bekannten Klischees erfüllt hatte, zog sie ab. Die Spurensucher bewegten sich ins Häuschen, nicht ohne mir zuvor mit Hilfe eines mobilen Digitalgeräts meine Fingerabdrücke und mit Hilfe des berühmten Wattestäbchens im Mund meine DNA abgeluchst zu haben. Ich fragte Karl, ob das nicht ein etwas übertriebener

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