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Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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bedaure zutiefst, dass ich Sie ein weiteres Mal belästigen muss», sagte Poirot. «Aber ich glaube, es gibt immer noch einiges, was wir von Ihnen erfahren können.»
    «So? Das glaube ich weniger.»
    «Sehen Sie zunächst einmal diesen Pfeifenreiniger?»
    «Ja.»
    «Ist es einer von Ihnen?»
    «Weiß ich doch nicht. Ich pflege sie nicht zu kennzeichnen.»
    «Sind Sie sich darüber im Klaren, Colonel Arbuthnot, dass Sie der einzige Mann im Wagen Istanbul-Calais sind, der Pfeife raucht?»
    «Wenn das so ist, wird es wohl einer von meinen sein.»
    «Wissen Sie, wo wir ihn gefunden haben?»
    «Keine Ahnung.»
    «Bei dem Ermordeten.»
    Colonel Arbuthnot zog die Augenbrauen hoch.
    «Können Sie uns erklären, Colonel Arbuthnot, wie er da wohl hingekommen ist?»
    «Wenn Sie annehmen, er wäre dort vielleicht mir selbst aus der Tasche gefallen, nein.»
    «Waren Sie irgendwann einmal in Mr. Ratchetts Abteil?»
    «Ich habe mit dem Mann nie ein Wort gewechselt.»
    «Sie haben nie ein Wort mit ihm gewechselt, und Sie haben ihn nicht ermordet?»
    Der Oberst zog wieder höhnisch die Augenbrauen hoch.
    «Wenn doch, dann würde ich es Ihnen wohl kaum auf die Nase binden. Aber um es genau zu sagen, nein, ich habe den Kerl nicht ermordet.»
    «Nun gut», sagte Poirot leise. «Es ist ja nicht so wichtig.»
    «Wie bitte?»
    «Ich sagte, es ist nicht so wichtig.»
    «Oh!» Colonel Arbuthnot schien enttäuscht zu sein. Er musterte Poirot argwöhnisch.
    «Denn sehen Sie», fuhr der kleine Detektiv fort, «der Pfeifenreiniger ist ohne Bedeutung. Ich wüsste für sein Vorhandensein noch elf andere ausgezeichnete Erklärungen.»
    Colonel Arbuthnot stierte ihn an.
    «Weswegen ich Sie eigentlich sprechen möchte, ist etwas völlig anderes», sprach Poirot weiter. «Miss Debenham hat Ihnen vielleicht schon gesagt, dass ich auf dem Bahnhof Konya ein kurzes Gespräch zwischen Ihnen beiden mitgehört habe.»
    Arbuthnot antwortete nicht.
    «Sie sagte: ‹ Nicht jetzt. Erst wenn alles vorbei ist. Wenn wir es hinter uns haben. › Wissen Sie, worauf sich diese Worte bezogen?»
    «Bedaure, Monsieur Poirot, aber ich muss es ablehnen, diese Frage zu beantworten.»
    «Pourquoi?»
    Der Oberst antwortete steif: «Ich schlage vor, Sie fragen Miss Debenham selbst, was diese Worte bedeuteten.»
    «Das habe ich schon.»
    «Und sie hat es Ihnen nicht gesagt?»
    «So ist es.»
    «Dann dürfte doch völlig klar sein – sogar Ihnen –, dass auch meine Lippen verschlossen bleiben.»
    «Sie wollen uns das Geheimnis der Dame nicht verraten?»
    «Wenn Sie es so ausdrücken wollen.»
    «Miss Debenham sagte, die Worte hätten sich auf eine private Angelegenheit von ihr bezogen.»
    «Und warum glauben Sie ihr das nicht?»
    «Weil – verstehen Sie mich recht, Colonel Arbuthnot – weil man Miss Debenham als eine höchst verdächtige Gestalt bezeichnen könnte.»
    «Unsinn», erwiderte der Oberst mit Nachdruck.
    «Es ist kein Unsinn.»
    «Sie haben nicht das Mindeste gegen sie in der Hand.»
    «Auch nicht, dass Miss Debenham zur Zeit der Entführung der kleinen Daisy die Stelle einer Gesellschafterin und Gouvernante im Hause Armstrong bekleidete?»
    Eine ganze Minute lang war es totenstill.
    Poirot nickte freundlich.
    «Sie sehen», sagte er, «dass wir mehr wissen, als Sie glauben. Wenn Miss Debenham unschuldig ist, warum hat sie mir diese Tatsache verschwiegen? Warum hat sie mir erzählt, sie wäre noch nie in Amerika gewesen?»
    Der Oberst räusperte sich.
    «Sind Sie nicht möglicherweise im Irrtum?»
    «Ich bin nicht im Irrtum. Also, warum hat Miss Debenham mich angelogen?»
    Colonel Arbuthnot zuckte mit den Schultern.
    «Stellen Sie ihr diese Frage lieber selbst. Ich glaube weiter, dass Sie im Irrtum sind.»
    Poirot rief laut nach einem der Speisewagenkellner, der vom anderen Ende des Wagens herbeigeeilt kam.
    «Bitten Sie die englische Dame in Nummer elf, sie möchte doch so freundlich sein und hierher kommen.»
    «Bien, Monsieur.»
    Der Kellner ging. Die vier Männer saßen schweigend da. Colonel Arbuthnots Gesicht wirkte wie aus Holz geschnitzt, so starr und unbeteiligt war es.
    Der Kellner kehrte zurück.
    Wenig später trat Mary Debenham in den Speisewagen.

Siebtes Kapitel

Die wahre Mary Debenham
     
    S ie hatte keinen Hut auf. Sie trug den Kopf hoch wie zum Trotz. Das aus der Stirn zurückgekämmte Haar und die geblähten Nasenflügel erinnerten an die Galionsfigur eines Schiffs, das tapfer die raue See durchpflügt. Sie war in diesem Augenblick richtig

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