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Mord im Pfarrhaus

Mord im Pfarrhaus

Titel: Mord im Pfarrhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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vielleicht hatte ihre Sicherheit mich überzeugt.
    Als ich wieder ins Zimmer kam, saß sie vorgebeugt mit gesenktem Kopf, ein Bild der Verzweiflung. Dann wiederholte sie: «Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich weiß nicht, was ich tun soll.»
    Ich setzte mich neben sie. Ich sagte, was ich für meine Pflicht zu sagen hielt, und versuchte es mit der nötigen Überzeugungskraft vorzubringen, wobei mir die ganze Zeit beklemmend bewusst war, dass ich am selben Tag geäußert hatte, die Welt wäre ohne Colonel Protheroe in einem besseren Zustand.
    Vor allem bat ich sie, nichts zu überstürzen. Ihr Heim und ihren Mann zu verlassen, war ein sehr bedeutsamer Schritt.
    Ich glaube nicht, dass ich sie überzeugte. Ich habe lange genug in der Welt gelebt um zu wissen, dass es so gut wie sinnlos ist, mit Verliebten zu argumentieren, aber ich glaube, dass meine Worte ihr einen gewissen Trost spendeten.
    Als sie aufbrach, dankte sie mir und versprach zu bedenken, was ich gesagt hatte.
    Dennoch war ich sehr besorgt, als sie gegangen war. Ich hatte das Gefühl, Anne Protheroes Charakter falsch beurteilt zu haben. Jetzt erschien sie mir als eine sehr verzweifelte Frau, die vor nichts zurückschrecken würde, wenn ihre Gefühle einmal geweckt waren. Und sie war verzweifelt, heftig, wahnsinnig verliebt in Lawrence Redding, einen Mann, der mehrere Jahre jünger war als sie.
    Es gefiel mir nicht.

Viertes Kapitel
     
    I ch hatte ganz vergessen, dass wir Lawrence Redding für diesen Abend zum Dinner eingeladen hatten. Als Griselda hereinstürmte und mich schalt, weil wir in zwei Minuten essen sollten, war ich ziemlich überrascht.
    «Ich hoffe, dass alles klappt», rief Griselda mir auf der Treppe nach. «Ich habe mir zu Herzen genommen, was du beim Lunch gesagt hast, und mir wirklich ein paar ziemlich gute Gerichte ausgedacht.»
    Nebenbei gesagt bestätigte unser Abendessen weitgehend Griseldas Versicherung, dass noch mehr schief ging, wenn sie sich Mühe gab, als wenn sie das sein ließ. Das Menü war ehrgeizig entworfen, und Mary schien ein perverses Vergnügen daran gefunden zu haben, die Speisen abwechselnd zu kurz und zu lange zu kochen. Ein paar Austern, die Griselda bestellt hatte und die jenseits des Zugriffs Unfähiger zu sein schienen, konnten wir unglücklicherweise nicht kosten, weil wir nichts im Haus hatten, um sie zu öffnen – wir merkten es erst, als sie gegessen werden sollten.
    Ich hatte eher bezweifelt, dass Lawrence Redding kommen würde. Er hätte sehr leicht eine Entschuldigung schicken können.
    Doch er traf pünktlich ein, und wir vier gingen zu Tisch.
    Lawrence Redding hat eine unbestreitbar gewinnende Persönlichkeit. Ich schätze ihn auf etwa dreißig. Er hat dunkles Haar, doch die Augen sind von einem leuchtenden, fast verblüffenden Blau. Er gehört zu den jungen Männern, die alles gut machen. Er ist ein guter Sportler, ein ausgezeichneter Schütze, ein guter Amateurschauspieler und kann eine erstklassige Geschichte erzählen. Er vermag jede Party zu einem Erfolg zu machen. Ich glaube, er hat irisches Blut in den Adern. Er entspricht überhaupt nicht dem Bild, das man sich von einem typischen Künstler macht. Doch ich glaube, er ist ein guter Maler der modernen Richtung. Ich selbst verstehe sehr wenig von Malerei.
    Es war nur natürlich, dass er gerade an diesem Abend ein wenig distrait wirkte. Im großen Ganzen hatte er sich sehr gut im Griff. Ich glaube nicht, dass Griselda oder Dennis etwas bemerkten. Wahrscheinlich hätte ich selbst nichts bemerkt, wenn ich nicht Bescheid gewusst hätte.
    Griselda und Dennis waren besonders ausgelassen – voller Witze über Dr. Stone und Miss Cram, den örtlichen Skandal! Plötzlich wurde mir wie mit einem Schlag klar, dass Dennis Griselda im Alter näher ist als ich. Er nennt mich Onkel Len, sie aber Griselda. Ich fühlte mich irgendwie einsam.
    Ich glaube, Mrs Protheroe hatte mich aus dem Gleichgewicht gebracht. Normalerweise neige ich nicht zu so nutzlosen Überlegungen.
    Griselda und Dennis gingen dann und wann ziemlich weit, aber ich hatte nicht den Mut, sie zurechtzuweisen. Ich fand es immer schade, dass schon die Anwesenheit eines Pfarrers eine dämpfende Wirkung haben könnte.
    Lawrence nahm munter an der Unterhaltung teil. Dennoch merkte ich, dass seine Blicke ständig zu mir schweiften, und ich war nicht überrascht, als er mich nach dem Essen in mein Arbeitszimmer lotste.
    Sobald wir allein waren, änderte sich sein Verhalten.
    «Sie haben unser Geheimnis

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