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Mord im Pfarrhaus

Mord im Pfarrhaus

Titel: Mord im Pfarrhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ein anständiger junger Mann vorgekommen. Vielleicht denken sie sich eine gute Verteidigung für ihn aus. Nachwirkungen des Kriegs, Bombenneurose, etwas in der Art. Vor allem, wenn kein angemessenes Motiv auftaucht. Ich muss gehen. Wollen Sie mitkommen?»
    Ich erwiderte, das würde ich gern, und wir gingen zusammen hinaus.
    Haydock wohnt neben mir. Sein Diener sagte, der Doktor sei gerade gekommen, und führte uns ins Esszimmer, wo Haydock vor einem dampfenden Teller mit Eiern und Schinken saß. Er nickte mir freundschaftlich zu.
    «Tut mit Leid, dass ich weg musste. Bettlägeriger Patient. Wegen Ihrer Sache war ich fast die ganze Nacht auf. Ich habe die Kugel für Sie.»
    Er schob ein Kästchen über den Tisch. Melchett betrachtete den Inhalt. «Kaliber fünfundzwanzig?»
    Haydock nickte.
    «Die technischen Einzelheiten hebe ich mir für die gerichtliche Untersuchung auf», sagte er. «Alles, was Sie wissen wollen, ist, dass der Tod praktisch sofort eingetreten ist. Dummer junger Narr, weshalb hat er das getan? Erstaunlich übrigens, dass niemand den Schuss gehört hat.»
    «Ja», sagte Melchett, «das überrascht mich.»
    «Das Küchenfenster ist auf der anderen Seite des Hauses», sagte ich. «Wenn die Türen von Arbeitszimmer, Spülküche und Küche geschlossen sind, bezweifle ich, ob man etwas hören kann, und außer dem Mädchen war niemand im Haus.»
    «Mhm. Es ist trotzdem merkwürdig», sagte Melchett. «Ich frage mich, ob die alte Dame – wie heißt sie noch – Marple, nichts gehört hat. Das Fenster im Arbeitszimmer war offen.»
    «Vielleicht hat sie etwas gehört», vermutete Haydock.
    «Ich glaube nicht», sagte ich. «Sie war gerade im Pfarrhaus, und sie hat nichts davon erwähnt. Ich bin sicher, das hätte sie getan, wenn sie etwas zu erzählen hätte.»
    «Vielleicht hat sie es gehört und nicht darauf geachtet – hat es für die Fehlzündung eines Autos gehalten.»
    Mir fiel auf, dass Haydock heute Morgen viel vergnügter und besser gelaunt war. Er kam mir vor wie ein Mann, der anstandshalber versucht, seine ungewöhnlich gute Stimmung zu verbergen.
    «Oder was ist mit einem Schalldämpfer?», fügte er hinzu. «Das ist sehr wahrscheinlich. Dann hätte niemand etwas gehört.»
    Melchett schüttelte den Kopf.
    «Slack fand nichts in dieser Art, er hat Redding gefragt und Redding schien zuerst gar nicht zu wissen, wovon er sprach, und dann bestritt er schlankweg, so etwas benutzt zu haben. Und ich nehme an, das kann man ihm glauben.»
    «Ja, wirklich, der arme Teufel.»
    «Verdammter junger Narr», sagte Colonel Melchett. «Entschuldigung, Clement. Aber das ist er wirklich! Irgendwie kann man sich nicht daran gewöhnen, ihn für einen Mörder zu halten.»
    «Irgendein Motiv?» Haydock trank den letzten Schluck Kaffee und schob seinen Stuhl zurück.
    «Er sagt, sie stritten und er wurde wütend und hat ihn erschossen.»
    «Er hofft auf Totschlag, was?» Der Arzt schüttelte den Kopf. «An dieser Geschichte ist nichts dran. Er schlich sich von hinten an, während Protheroe schrieb, und schoss ihn durch den Kopf. Hübscher kleiner ‹Streit›!»
    «Jedenfalls wäre keine Zeit für einen Streit gewesen», sagte ich und dachte an Miss Marples Worte. «Um sich anzuschleichen, zu schießen, die Uhrzeiger auf 6.22 zurückzustellen und wieder zu gehen hätte er die ganze Zeit gebraucht, die er im Haus war. Ich werde nie sein Gesicht vergessen, als ich ihn am Gartentor traf, oder die Art, wie er sagte: ‹Sie wollen Protheroe sehen – oh, Sie werden ihn sehen!› Schon das hätte mich misstrauisch machen sollen im Hinblick auf das, was angeblich gerade vor ein paar Minuten geschehen war.»
    Haydock starrte mich an. «Was soll das heißen – was gerade geschehen war? Wann glauben Sie, dass Redding ihn erschossen hat?»
    «Ein paar Minuten bevor ich nach Hause kam.»
    Der Arzt schüttelte den Kopf. «Unmöglich. Völlig unmöglich. Er war schon viel länger tot.»
    «Aber mein lieber Mann!», rief Colonel Melchett. «Sie haben selbst gesagt, dass eine halbe Stunde nur eine ungefähre Schätzung sei.»
    «Eine halbe Stunde, fünfunddreißig Minuten, fünfundzwanzig Minuten, zwanzig Minuten – möglich, aber weniger nicht. Die Leiche wäre ja noch warm gewesen, als ich sie sah.»
    Wir starrten einander an. Haydocks Gesicht hatte sich verändert. Er sah plötzlich grau und alt aus. Ich fragte mich, was das zu bedeuten hatte.
    «Aber hören Sie zu, Haydock.» Der Colonel hatte seine Stimme wieder gefunden.

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