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Mord im Pfarrhaus

Mord im Pfarrhaus

Titel: Mord im Pfarrhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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verdammte Schuft», sagte Haydock. «Der verdammte Schuft! Dieser arme Teufel Hawes. Er hat auch noch Mutter und Schwester. Ihr Leben lang wären sie als Mutter und Schwester eines Mörders gebrandmarkt gewesen, und denken Sie an ihre seelische Qual! So eine feige, heimtückische Schurkerei!»
    Wenn es um pure primitive Raserei geht, kann es niemand mit einem echten Menschenfreund aufnehmen, der ordentlich erzürnt ist.
    «Falls diese Geschichte wahr ist», sagte er, «können Sie auf mich zählen. Der Kerl ist es nicht wert zu leben. Ein wehrloser Mensch wie Hawes!»
    Ein Versager gleich welcher Art kann immer mit Haydocks Sympathie rechnen.
    Er war eifrig dabei, mit Melchett Einzelheiten zu besprechen, als Miss Marple sich verabschiedete und ich darauf bestand, sie nach Hause zu bringen.
    «Das ist sehr freundlich von Ihnen, Mr Clement», sagte sie, als wir durch die verlassene Straße gingen. «Du meine Güte, schon nach zwölf. Ich hoffe, Raymond ist zu Bett gegangen und hat nicht auf mich gewartet.»
    «Er hätte Sie begleiten sollen», sagte ich.
    «Ich habe ihn nicht wissen lassen, wohin ich gehe.»
    Ich schmunzelte, als ich an Raymond Wests scharfsinnige psychologische Analyse des Verbrechens dachte.
    «Wenn Ihre Theorie sich als richtig erweist – was ich jedenfalls keine Minute bezweifle», sagte ich, «haben Sie Ihren Neffen höchst elegant überrundet.»
    Miss Marple lächelte ebenfalls – es war ein nachsichtiges Lächeln.
    «Ich erinnere mich an einen Spruch meiner Großtante Fanny. Damals war ich sechzehn und hielt ihn für besonders dumm.»
    «Ja?», fragte ich.
    «Sie pflegte zu sagen: ‹Die jungen Leute denken, die Alten sind Idioten; aber die Alten wissen, dass die Jungen Idioten sind!›»

Zweiunddreißigstes Kapitel
     
    E s bleibt wenig mehr zu berichten. Miss Marples Plan hatte Erfolg. Lawrence Redding war nicht unschuldig, und der Hinweis auf einen Zeugen des Tablettentauschs veranlasste ihn tatsächlich, «etwas Törichtes» zu tun. So mächtig ist ein schlechtes Gewissen.
    Er war natürlich in einer sonderbaren Situation. Sein erster Impuls war, nehme ich an, Reißaus zu nehmen. Aber er musste an seine Komplizin denken. Er konnte sie nicht ohne Nachricht zurücklassen, und er wagte es nicht, bis zum Morgen zu warten. Also ging er in dieser Nacht nach Old Hall – und zwei von Colonel Melchetts tüchtigsten Beamten folgten ihm. Er warf Kies an Anne Protheroes Fenster, weckte sie, und nach erregtem Geflüster kam sie herunter, um mit ihm zu reden. Zweifellos fühlten sie sich draußen sicherer als im Haus – wo Lettice möglicherweise aufwachen könnte. Aber wie es sich so traf, konnten die beiden Polizisten das ganze Gespräch mithören. Danach bestand kein Zweifel mehr. Miss Marple hatte in jedem Punkt Recht gehabt.
    Der Verlauf des Prozesses gegen Lawrence Redding und Anne Protheroe ist allgemein bekannt. Ich habe nicht vor, mich damit zu befassen. Ich will nur erwähnen, dass Kommissar Slack viel Anerkennung fand, weil es seinem Eifer und seiner Intelligenz zu danken war, dass die Verbrecher vor Gericht gebracht worden waren. Natürlich blieb Miss Marples Anteil an der Sache unerwähnt. Sie selbst wäre beim Gedanken daran entsetzt gewesen.
    Direkt vor dem Prozess besuchte mich Lettice. Sie glitt so geisterhaft wie immer durch meine Glastür herein und erzählte mir, sie sei die ganze Zeit von der Mitschuld ihrer Stiefmutter überzeugt gewesen. Der angebliche Verlust der gelben Baskenmütze war nur eine Ausrede gewesen, um das Arbeitszimmer zu durchsuchen. Sie hatte verzweifelt gehofft, sie könnte etwas finden, das die Polizei übersehen hatte.
    «Wissen Sie», sagte sie mit ihrer verträumten Stimme, «Sie haben sie nicht so gehasst wie ich. Und Hass erleichtert manches.»
    Enttäuscht vom Ergebnis ihrer Suche hatte sie absichtlich Annes Ohrring beim Schreibtisch fallen lassen.
    «Was machte das schon, ich wusste doch, dass sie es getan hatte. Eine Möglichkeit war so gut wie die andere. Sie hatte ihn getötet.»
    Ich seufzte. Es gibt immer einiges, was Lettice nie sehen wird. In mancher Hinsicht ist sie moralisch farbenblind.
    «Was haben Sie vor, Lettice?», fragte ich.
    «Wenn – wenn alles vorbei ist, gehe ich ins Ausland.» Sie zögerte, dann sagte sie: «Ich gehe mit meiner Mutter ins Ausland.»
    Überrascht schaute ich auf.
    Sie nickte. «Haben Sie es nicht erraten? Mrs Lestrange ist meine Mutter. Sie – sie stirbt, wissen Sie. Weil sie mich sehen wollte, kam sie unter

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