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Mord im Spiegel

Mord im Spiegel

Titel: Mord im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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unseligerweise hatte sie ein Mittel zur Hand. Sie trug es immer bei sich – das Beruhigungsmittel Calmo, das nur dann ungefährlich ist, wenn man sich an die vorgeschriebene Menge hält. Es war alles ganz einfach. Sie warf die Tabletten in ihr eigenes Glas. Falls jemand es zufällig beobachtete, würde man annehmen, dass sie etwas zur Beruhigung oder Ermunterung brauchte. Niemand würde etwas dabei finden. Möglich, dass eine gewisse Person es bemerkte, doch ich persönlich bezweifle es. Ich glaube, dass Miss Zielinsky nur eine Vermutung hatte. Marina Gregg stellte ihr Glas auf den Tisch, und dann richtete sie es so ein, dass sie Heather Badcock anstieß, sodass diese ihren Drink über das neue Kleid verschüttete. Und jetzt wird die Geschichte rätselhaft, nur aus einem Grund: Weil die Leute mit dem Fürwort nicht richtig umgehen können.
    Der Fall erinnert mich sehr an jenes Stubenmädchen, von dem ich dir erzählte«, fuhr Miss Marple zu Craddock gewandt fort. »Ich wusste nur, was Gladys Dixon Cherry erzählt hatte, verstehst du? Gladys machte sich Gedanken über die Flecken in Heather Badcocks Kleid. Sie fand es so seltsam, dass sie den Cocktail absichtlich vergoss. Aber mit dem ›sie‹ meinte Gladys nicht Heather Badcock, sondern Miss Gregg. Gladys sagte: ›Sie tat’s absichtlich!‹ Und so war es! Miss Gregg stieß Heather Badcock am Arm an. Nicht zufällig, sondern absichtlich! Wir wissen, dass sie in der Nähe gewesen sein muss, denn wir erfuhren, dass sie Heather Badcocks und ihr eigenes Kleid zu reinigen versuchte und dann Heather Badcock ihr eigenes Glas in die Hand drückte. Es war«, sagte Miss Marple nachdenklich, »der perfekte Mord, denn sie führte ihn ganz spontan aus, ohne eine Minute zu überlegen. Sie wollte Heather Badcock töten, und kurz darauf war Heather Badcock auch tot. Vielleicht erkannte sie die Tragweite ihrer Tat nicht sofort. Ganz gewiss konnte sie die Gefahr, in die sie sich begab, nicht gleich erkennen. Hinterher wurde es ihr klar. Sie bekam Angst, entsetzliche Angst – dass jemand sie beobachtet hatte, wie sie die Tabletten in ihr Glas warf, oder wie sie Heather Badcock absichtlich anstieß. Dass jemand sie beschuldigen würde, Heather Badcock vergiftet zu haben. Sie sah nur einen Ausweg. Zu tun, als habe der Täter in Wahrheit sie selbst gemeint – dass sie das wahre Opfer sei. Sie probierte die Idee zuerst bei ihrem Arzt aus. Sie verbot ihm, es ihrem Mann zu erzählen, vermutlich, weil sie ahnte, dass ihr Mann sich nicht täuschen lassen würde. Sie unternahm die verrücktesten Sachen. Sie schrieb sich Drohbriefe, die an den seltsamsten Orten gefunden wurden, in den seltsamsten Augenblicken. Einmal, im Studio, hat sie sogar mit ihrem eigenen Kaffee herumgespielt. Man hätte sie sofort durchschauen können, wenn man die ganze Geschichte unter dem richtigen Blickwinkel betrachtet hätte. Es gab jemand, der das tat.«
    »Das ist reine Theorie«, sagte Rudd.
    Miss Marple sah ihn an.
    »Sie können es auch so ausdrücken, wenn Sie wollen«, antwortete sie. »Doch Sie wissen genau, Mr Rudd, dass ich die Wahrheit sage, nicht wahr? Denn Sie wussten von Anfang an Bescheid. Sie hatten gehört, wie Mrs Badcock erzählte, sie habe die Röteln gehabt. Sie wussten Bescheid, und deshalb gab es für Sie nur eines: Sie wollten Ihre Frau beschützen. Doch Sie erkannten nicht, in welchem Ausmaß Sie sie beschützen mussten. Sie konnten nicht ahnen, dass es nicht nur darum ging, den Mord an einer Frau zu vertuschen, die – so könnte man sagen – nicht ganz schuldlos an ihrem Tod war. Es gab noch andere Tote – Giuseppe, ein Erpresser, das ist wahr, aber doch ein menschliches Wesen. Und Ella Zielinsky, der Sie sehr zugetan waren. Sie versuchten verzweifelt, Ihre Frau zu schützen und sie daran zu hindern, noch mehr Unheil anzurichten. Sie wollten nur eines – sie unbeschadet von hier wegbringen. Sie bemühten sich, sie Tag und Nacht zu bewachen, damit Sie sicher sein konnten, dass nicht noch mehr passierte.«
    Miss Marple schwieg. Dann trat sie auf Jason Rudd zu und legte ihm vorsichtig die Hand auf den Arm.
    »Sie tun mir sehr leid, Mr Rudd, sehr leid. Mir ist klar, wie Sie gelitten haben müssen. Sie haben sie sehr geliebt, nicht wahr?«
    Jason Rudd wandte sich ab.
    »Sie war so schön«, sagte Miss Marple leise. »Und so begabt. Sie hatte eine große Kraft zu lieben und zu hassen, aber sie besaß keine Festigkeit. Sie konnte die Vergangenheit nicht ruhen lassen und die Zukunft nicht

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