Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
hoffen. Ich bin reiner als die Kleingläubigen wie Kaaper, die in ihrem Gott nur so etwas wie einen Händler sehen, den man mit Opfern und Gebeten, mit Stelen und Gelübden bezahlt, um dafür irgendeine lächerliche Gnade zu erhalten! Ich bin reiner als jeder andere Mensch im Lande Kemet, denn ich allein kenne noch Atons Geheimnis!«
»Wie hast du überhaupt von Atons Geheimnis erfahren?«, fragte Rechmire in der verzweifelten Hoffnung, Zeit zu gewinnen. Während sie weiter um den Sarg kreisten, sah er sich unauffällig nach irgendeinem Gegenstand um, den er als Waffe hätte verwenden können, doch er fand keinen.
Userhet lachte kurz und hart auf. »Meine Familie ist unter Pharao Haremhab mächtig geworden – ausgerechnet dem Herrscher, der Echnatons Andenken so gründlich auslöschen wollte! Als Kind wurde ich deshalb zu einem besonders strengen Anhänger des alten Glaubens erzogen. Ich war schon als Dreijähriger Diener im Tempel Amuns und glaubte bedingungslos an seine Größe und Macht. Bis ich fünfzehn war und für einige Jahre zum Dienst in der Armee des Pharaos nach Piramesse geschickt wurde.«
Die Stimme des Hohepriesters wurde leiser und zum ersten Mal überhaupt konnte Rechmire in ihr so etwas wie Zuneigung und Wärme heraushören.
»Damals lernte ich an einem meiner seltenen freien Tage in einer Taverne einen uralten Mann kennen«, fuhr er leise fort, »der sich für einen Steinmetz aus Memphis ausgab. Doch nachdem er einige Wochen später endlich Vertrauen zu mir gefasst hatte, gestand er mir, dass er ein Priester des Aton gewesen war, der noch Echnaton persönlich gesehen und in seiner prächtigen neuen Stadt Achetaton, welche die Dummköpfe heute einen verfluchten Ort nennen, die heiligen Riten vollzogen hatte. Er war wahrscheinlich der letzte überlebende Priester des Aton in den Beiden Reichen – und er führte mich in die Mysterien seiner, der einzig wahren Religion ein. Seitdem bin ich Aton immer treu geblieben.«
»Aber du bist nicht Soldat geblieben, sondern hast dich Amun zugewandt und ihm die Treue geschworen, bis du der Erste seiner Diener geworden bist«, rief Rechmire aufgebracht.
Userhet machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wenn ich allein im Allerheiligsten war, habe ich vor Amuns Bild auf den Boden gespuckt. Und wann immer dies möglich war, habe ich dieses tote Bildnis verlassen und stattdessen meine Gebete zu Aton geschickt.«
»Im großen Seitenpylon des Haremhab«, warf Rechmire höhnisch ein.
Der Hohepriester zögerte überrascht und wütend, dann lachte er laut. »Du bist ein guter Mann, Schreiber, dessen Name mir entfallen ist. Mentuhotep wird betrübt sein, einen so wertvollen Diener zu verlieren.«
Rechmire ignorierte den letzten Satz. »Warum mussten Kenherchepeschef und Sennodjem sterben?«, fragte er leise. »Hat Aton das verlangt?«
Userhets Mundwinkel zuckten. »Aton gibt das Leben«, antwortete er, »doch manchmal fordert der Glaube an ihn auch den Tod«, ergänzte er nachdenklich. »Kenherchepeschef war gefährlich geworden, Sennodjem nur lästig«, fuhr er dann mit kalter Stimme fort.
»Ich weiß nicht, wie mir der Erste Schreiber auf die Spur gekommen ist. Vielleicht hat er die versteckten Zeichen erkannt, die ich in meinem Grab Aton zu Ehren anbringen ließ. Vielleicht auch hat er bei seiner verrückten Suche nach alten Papyri irgendwie gehört, dass ich mich für alle Buchrollen aus der Zeit Echnatons interessiere, und seien sie auch zerrissen oder schimmelig. Möglich auch, dass er das eine mit dem anderen verband und so erst erfuhr, wen ich wirklich verehre. Auf jeden Fall stand er eines Tages im Tempel von Karnak und verlangte, dass ich dafür sorgen möge, ihn zum Schreiber von Versiegeltem am Hofe des Pharaos zu ernennen.«
Userhet lachte und schüttelte ungläubig den Kopf. »Dies ist eine der höchsten und mächtigsten Stellen, auf die ein Schreiber gelangen kann, was ich dir wahrscheinlich nicht weiter erklären muss. Am Hofe des Pharaos wäre er reich geworden. Doch Kenherchepeschef hat sich dafür gar nicht interessiert. Er wollte nur in Merenptahs Nähe kommen, um mit den Ärzten, Astrologen und Magiern des Pharaos reden zu können. Er wollte, dass sie seine bösen Träume vertreiben, weil es niemandem sonst gelang.«
»Er hat sogar das Traumbuch des Chnumhotep gefunden«, warf Rechmire ein, »doch selbst das hat ihm nicht geholfen.« Userhet lachte wieder. »Es gelang ihm wirklich wie keinem anderen Mann im Lande Kemet, alte, längst
Weitere Kostenlose Bücher