Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
vergessene Texte zu entdecken. Aber kein Text hätte seine Dämonen vertreiben können. Aton allein hätte ihm geholfen. Doch als ich ihn darauf ansprach, nachdem mir klar geworden war, dass er meine Tarnung durchschaut hatte, da lachte dieser Elende nur. Statt sich bekehren zu lassen und mir zu folgen, war sein Streben nur auf den Hof des Pharaos gerichtet. Doch ich konnte dort keinen Mann dulden, der mein Geheimnis kannte. Also traf ich mich mit ihm heimlich in Merenptahs Haus der Ewigkeit und schickte ihn dorthin, wo er für immer von Sehakek und den anderen Dämonen gequält wird.«
»Und Sennodjem?«
Der Hohepriester machte eine wegwerfende Geste. »Der Ort der Wahrheit ist klein und Sennodjem war seit Jahren Kenherchepeschefs Rivale. Da erfährt man das eine oder andere Geheimnis des verhassten Vorgesetzten. Sennodjem wusste, dass Kenherchepeschef mich erpressen wollte, er ahnte jedoch nicht warum. Trotzdem wagte er es, während des Opet-Festes meine Gunst erzwingen zu wollen.« Userhet lächelte höhnisch.
»Er wollte, dass ich dich den Krokodilen vorwerfe«, verriet er. »Das hätte ich wahrhaftig gerne getan, doch dies hätte Mentuhoteps Aufmerksamkeit nur noch stärker auf Set-Maat gelenkt. Also ging Sennodjem dorthin, wo Kenherchepeschef schon auf ihn wartete. Er dürfte nicht begeistert gewesen sein.«
Userhet lachte wieder unangenehm. »Dann schickte ich meinen zuverlässigsten Sklaven während des Festes mit dem Todesdolch zum Haus von Kenherchepeschefs Witwe, um deine Nachforschungen zu verwirren.« Er machte eine Geste spöttischen Respekts. »Das ist mir, wie man sieht, leider nicht gelungen.«
Rechmire ignorierte auch dies. »Warum willst du dann auch noch den Pharao töten?«, fragte er heiser.
Userhet schüttelte hochmütig den Kopf. »Du Dummkopf«, rief er. »Für die Menschen der Beiden Reiche ist er der Sohn der Sonne. Der Pharao steht zwischen Aton und seinem Volk. Doch ich werde allen Menschen im Lande Kemet zeigen, dass der Pharao so elend in den Westen gehen kann wie der ärmste Bauer. Stirbt der Pharao, dann fällt auch endlich die Verblendung wieder von den Menschen ab und Atons Reich kann kommen! Ich, Userhet, werde sie zu seinem Licht führen!«
Die letzten Sätze hatte er ausgerufen, als sähe er sich schon selbst vor einem Tempel zu einer gewaltigen Menschenmenge predigen. Seine Augen waren unnatürlich weit aufgerissen und leuchteten und sein Gesicht war noch um eine Nuance dunkler geworden. Rechmire wurde erst in diesem Moment klar, dass der Hohepriester vollkommen wahnsinnig war.
Er versuchte hastig, Userhet durch höhnische Worte zu überrumpeln. »Du magst der Türöffner des Himmels sein, doch im Angesicht des Pharaos bist du doch nicht mehr als ein Wurm, den er jederzeit unter seinen Sandalen zertreten kann. Merenptah wird noch tausend Jahre leben!«
Der wilde Ausbruch des Hohepriesters war so schnell vergangen, wie er gekommen war. Userhet hatte sich wieder vollkommen in der Gewalt und lächelte kalt. »Merenptah ist bereits verloren, auch wenn er es noch nicht weiß und du es noch nicht wahrhaben willst. Aber nichts und niemand kann ihn mehr retten – am wenigsten Amun oder einer der anderen falschen Götter. Doch habe keine Angst, Schreiber, du wirst das Ende Merenptahs nicht mehr mit eigenen Augen ansehen müssen.«
Mit diesen Worten griff Userhet in eine Falte seines schweren Gewandes und zog einen langen Dolch aus schwarzer Bronze hervor.
Rechmire schnappte vor Überraschung und Angst nach Luft. Für einen Augenblick dachte er, das bisherige Spielchen weiter treiben zu können und stets Echnatons Sarg zwischen sich und seinem Gegner zu lassen – so lange, bis sich ihm vielleicht die Möglichkeit bot, durch die Tür zu entschlüpfen, ins Freie zu rennen und die Leibgarde des Pharaos zu holen. Doch Userhet sprang mit einer Behändigkeit, die er seinem massigen Leib niemals zugetraut hätte, einfach quer über den Sarg hinweg. Seine Linke packte Rechmires Kehle, mit der Rechten wollte er noch im Sprung zustoßen. Doch seine Füße blieben am goldenen Sargdeckel hängen, der polternd zu Boden rutschte und die bandagierte Mumie freigab. Der Hohepriester kam deshalb nicht so nahe an sein Opfer heran, wie er erwartet hatte, und sein Dolchstoß ritzte nur Rechmires rechte Schulter auf.
Die beiden Kämpfer prallten auf den herabgefallenen Sargdeckel, rutschten von dort auf den Boden und wälzten sich bis zu dem hölzernen Schrein. Rechmire war zuerst wieder auf den
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