Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
Mann keine Zeit mehr, den Satz zu vollenden. Er packte ihn am Arm. »Nimm dir Werkzeug mit und komm!«, befahl er. Dann wandte er sich Djehuti zu. »Du auch«, rief er.
Rechmires Äußeres war so Schrecken erregend, sein Auftreten so drängend und gebieterisch, dass ihm niemand Widerstand leistete. Er griff sich eine Öllampe und rannte zusammen mit den beiden Männern bis in die Kammer, in der einst die ineinander gestellten Sarkophage des Pharaos bis in alle Ewigkeit ruhen würden.
Jetzt erhob sich dort ein schlichter Schrein aus dunklem, poliertem Ebenholz mit wenigen, aber erlesenen Einlegearbeiten aus Elfenbein. Alle zeigten die verschiedenen Gestalten Amuns.
»Gib mir deinen Dolch!«, befahl Rechmire dem Führer der Medjai, der ihm, ohne zu zögern, seine Waffe reichte.
Vorsichtig hob Rechmire mit der Klingenspitze den schweren Deckel an – und prallte vor Schreck zurück. Eine große Kobra hatte direkt darunter gelegen, ihr aufgestellter, breiter Kopf schoss aus dem Schrein heraus. Doch ein leises Zischen erfüllte die Luft, dann sah Rechmire ein glänzendes Etwas, das unmittelbar vor seinem Gesicht niederfuhr und den Kopf der Schlange mit einem hässlichen Geräusch abschlug, bevor sie ihre Giftzähne in seine Brust graben konnte.
Djehuti hatte mit seinem Schwert zugeschlagen und stand nun zornbebend da. »Der Schrein des Pharaos ist voller Kobras!«, keuchte er und starrte mit geweiteten Augen auf den abgeschlagenen Kopf, aus dem etwas Blut und Schleim rannen.
Rechmire zitterte am ganzen Leib und spürte, dass seine Knie nachgeben wollten. Doch es war nicht nur die Angst, die ihn zu überwältigen drohte, sondern auch unendliche Erleichterung.
Er wandte sich dem Vorarbeiter zu, der starr vor Schreck hinter ihnen stehen geblieben war. »Nimm deinen Hammer und die längsten Bronzenägel, die du dabei hast. Dann nagle diesen Schrein zu, auf dass die Kobras dort bis in alle Ewigkeit vermodern mögen.«
Die Hände des Mannes zitterten so sehr, dass Rechmire schon befürchtete, er würde mit einem fehlgehenden Schlag den ganzen Schrein zertrümmern und dessen tödlichen Inhalt freilassen, aber schließlich hatte der Vorarbeiter doch zehn Nägel in das Holz getrieben.
Rechmire riss sich ein Stück aus seinem zerfetzten Leinenschurz und wickelte den abgeschlagenen Kobrakopf darin ein. »Gehen wir«, sagte er leise, als er damit fertig war.
Draußen vor dem Grab erwartete sie der Tschati. Er stand in breitbeiniger, gebieterischer Pose im Portal und starrte sie an, während sich sein Gefolge zu beiden Seiten des Eingangs aufgestellt hatte. Auf dem Weg, der ins Tal der toten Pharaonen hinabführte, war bereits des Pharaos verhangene, goldglänzende Sänfte zu erkennen, dicht umringt von hundert Mann seiner Leibwache, deren Standarten in der heißen Luft träge herabhingen und deren Waffen unter der Sonne glänzten, als wären es kleine Feuer. Rechmire warf sich vor Mentuhotep in den Staub. Als dieser ihm erlaubte, sich wieder zu erheben, öffnete er den Fetzen seines Leinengewandes und präsentierte den Kobrakopf. »Der Pharao wird nicht vor seiner Zeit ins Haus der Ewigkeit einziehen«, flüsterte er so leise, dass ihn niemand sonst außer dem Tschati hören konnte.
Mentuhoteps Miene blieb unbeweglich. »Wer ist der Frevler?«, fragte er genauso leise zurück.
»Der Hohepriester Userhet, Herr«, hauchte Rechmire. »Er hat Kobras in Amuns Schrein versteckt, vor dem der Pharao in der
Halle, in der man ruht
beten sollte. Ich habe den Schrein zunageln lassen.«
Mentuhotep zuckte einen Augenblick zusammen, als hätte ihn ein Skorpion gestochen, dann hatte er sich wieder in der Gewalt. »Wo ist Userhet?«, zischte er.
Rechmire deutete auf den deutlich sichtbaren offenen Schacht am gegenüberliegenden Ende des schmalen Seitentals. »Dort ruht Der-dessen-Namen-niemand-nennt. Und Userhet wird für alle Zeiten an seiner Seite liegen.«
Mentuhotep starrte Rechmire nun offen an und gab sich keine Mühe mehr, seine Überraschung zu verbergen. Dann warf er einen raschen Blick zurück auf den Weg, wo sich die Prozession des Pharaos langsam näherte. Er schnippte mit den Fingern und sofort eilten zwei Sklaven an seine Seite.
»Eilt mit zehn Mann zu dem Schacht dort vorn«, befahl er ihnen barsch. »Schüttet ihn zu, wälzt Steine darauf und verwischt eure Spuren. Schnell! Das Auge des Pharaos darf durch diesen Anblick nicht beleidigt werden.«
Die Sklaven waren zu gut geschult, um sich ihre Überraschung anmerken zu
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