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Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Schreiber, der zufällig neben ihm saß, hatte seinen eigenen kleinen Krug mit teurem syrischen Wein dabei. Er aß Datteln, Feigen und Honigkuchen und genoss es, dass ihn die anderen hungrig anstarrten. Chaemepe war derjenige, den Rechmire mehr hasste und fürchtete als alle anderen Schreiber.
    Chaemepe war zwei Jahre älter als er, groß, kräftig, gut aussehend und so dumm, dass es ihm auch nach siebzehn Jahren Drill in Tempelschulen und Schreibstuben selten gelang, auch nur einen kleinen Brief fehlerfrei zu verfassen. Doch seine Eltern waren reiche Händler, die in der Oase Siwa in der libyschen Wüste lebten. Sie beherrschten die Karawanenwege, die aus dem Süden Elfenbein, Ebenholz und Sklaven ins Lande Kemet brachten. Ein kleiner, aber nicht zu verachtender Teil dieser Waren floss direkt in die Schatzkammern des Tschati, seitdem er in seiner Großmut einen Schreiber akzeptiert hatte, der kaum schreiben konnte. Da Chaemepe zudem von seinen Eltern auch zwei Jahre in die Armee geschickt worden war, konnte er mit Dolch und Fäusten besser umgehen als die anderen, die ihn deswegen mieden.
    »Was für ein armseliges Bauerndorf!«, rief Chaemepe in die Runde und sah dabei niemanden im Besonderen an. Die anderen Schreiber starrten gelangweilt zu Boden oder widmeten sich intensiv ihrem Brot und ihren Zwiebeln. Sie wussten, dass Chaemepe wieder zu einem seiner prahlerischen Monologe ansetzte, mit denen er sich gern die Mittagspause vertrieb. Heimlich verspotteten sie ihn dafür, doch offen mochte ihm das niemand sagen.
    »Ich habe eine neue Steuerliste aufgestellt«, fuhr er fort, »und dafür das gesamte Vermögen dieser Bauern geschätzt.«
    Chaemepe lachte, als würde er die Kapriolen zwergenhafter Tänzer beobachten.
    Rechmire hatte keine Ahnung, welches Dorf in der Umgebung Thebens das war. Vielleicht lag es auch gar nicht in der Nähe, nicht einmal in ihrem Gau, sondern irgendwo weiter im Süden des Oberen Reiches, einige Tagesreisen nilaufwärts. Doch wer sie auch sein mochten, sie würden diesen Tag verfluchen, an dem ein kleiner Schreiber, arrogant und dumm wie eine Statue aus Granit, ihre Steuern hinaufgesetzt hatte. Chaemepe war ebenfalls Mitglied der kleinen Gruppe gewesen, die der Tschati zu seinem geheimen Treffen mit Userhet mitgenommen hatte. Damals hatte er die Tochter des Hohepriesters so lüstern angestarrt, als wäre sie ein Mädchen vom Hafen. Rechmire dachte an Baketamun und daran, was sie zu diesem Schauspiel sagen würde. Und was sie sagen würde, wenn Rechmire, anders als die anderen, diese Prahlereien nicht mehr stumm ertrug wie ein Sklave im Mühlrad.
    »Fast zweihundert Menschen leben in den elenden Hütten, die Dorf zu nennen eigentlich schon eine Übertreibung ist.« Chaemepe spuckte die Worte beinahe aus, so sehr schien er seine Opfer zu verachten. »Und alle zusammen haben weniger Vieh als meine Familie allein in Siwa ihr Eigen nennt.«
    Rechmire raffte sich endlich dazu auf, Chaemepe eine Falle zu stellen.
    »Wie viel Stück Vieh besitzt ihr denn?«, fragte er höflich.
    Chaemepe antwortete prompt, viel zu dankbar, dass ihm die Gelegenheit gegeben wurde, seinen Reichtum zur Schau zu stellen, als dass er sich über diese Frage gewundert hätte.
    »835 langhörnige Rinder«, zählte er stolz auf, »220 hornlose Rinder, 2234 Ziegen, 974 Schafe und 760 Esel!«
    »761«, korrigierte ihn Rechmire mit sanfter Stimme. »Du hast einen Esel vergessen.«
    Für einen langen Moment war es totenstill im Hof, dann lachten die anderen Schreiber los wie eine Horde betrunkener Seeleute aus Kreta, die in Thebens Tavernen eingefallen war. Chaemepe brauchte ein paar Augenblicke länger als die anderen, bis er die Anspielung verstanden hatte. Er wurde dunkelrot, dann blass vor Wut.
    »Dafür werde ich dich bezahlen lassen, Rechmire«, zischte er mit zornbebender Stimme. »Ich werde dir deine Zunge aus deinem dämlichen Gesicht schneiden lassen, damit du den nötigen Respekt lernst, den dir deine Eltern offensichtlich nicht beigebracht haben. Wer immer deine Eltern auch waren«, setzte er höhnisch hinzu.
    Rechmire sprang auf, als hätte ihn ein Skorpion gestochen, denn er hasste es, wenn ihn jemand auf seine Eltern ansprach.
    Auch Chaemepe hatte sich erhoben, stand dicht vor ihm und fixierte ihn mit seinen dunklen Augen.
    »Nur zu, Rechmire, ich überlasse dir den ersten Schlag!«, sagte er gefährlich leise und lächelte verschlagen.
    Rechmire stand vor ihm, schwer atmend und die Hände zu Fäusten geballt.

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