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Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Titel: Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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sich an Wachtmeister Holle, der ihn heute in den Zoo begleitet hatte. »Mein Bester, können Sie sich vorstellen, dass ein Mensch einen anderen umbringt, nur weil er einen anderen Glauben hat?«
    »Die Juden sind unser Unglück«, sagte Holle.
    Vor Erstaunen klappte dem Commissarius der Mund auf. Mit einer solchen Antwort hatte er nicht gerechnet. Natürlich hatte er gleich erkannt, dass der Wachtmeister nur den berühmt-berüchtigten Satz des Historikers Heinrich von Treitschke wiedergegeben hatte, der Auslöser des »Berliner Antisemitismusstreits« gewesen war und den seither jedes Kind kannte. »Könnten Sie Ihre Ansicht mal näher umreißen?«
    »Die Juden haben durch ihren schnöden Materialismus und ihren frechen Lug und Betrug den Börsenkrach von 1873 ausgelöst. Seit Jahrzehnten überschwemmen sie unser schönes Deutschland aus dem Osten, sie bereichern sich an unseren Bodenschätzen, lassen uns in ihren Fabriken Sklavenarbeit verrichten und schwängern unsere Frauen. Es sind Nattern, die wir an unserer Brust säugen, und niemand erkennt die Gefahr.«
    Entsetzt nahm der Commissarius seinen Untergebenen in Augenschein. Was war eigentlich los mit dem Wachtmeister? In den vergangenen Monaten war er geradezu verwahrlost. Sein Haar stand in fettigen Strähnen vom Kopf ab. Seine Gesichtshaut wirkte so weiß und durchscheinend, als hätte er lange kein Tageslicht gesehen. Seine Uniformjacke war von Flecken übersät, und unter seinen Fingernägeln hatte sich Dreck gesammelt. »Soll ich Ihre Aussagen etwa dahin gehend verstehen, dass der arme Salomon Hirsch seine gerechte Strafe erhalten hat?«
    Der Wachtmeister sah ihn verbittert an.
    »Herr Holle«, sagte Funke energisch. »Aus Respekt vor dem Toten und seinen Angehörigen muss ich Sie bitten, diesen Ort unverzüglich zu verlassen. Wir arbeiten seit vielen Jahren zusammen, und ich habe Sie zum ersten Mal in dieser Art und Weise reden gehört. Deshalb will ich Ihre Worte nicht überbewerten. Heute will ich ein Auge zudrücken, aber lassen Sie sich gesagt sein, dass ich in Zukunft solche Hetzparolen nicht dulden kann. Gehen Sie jetzt nach Hause, legen Sie sich ins Bett, und schlafen Sie mal eine Nacht durch. Sie sehen aus, als hätten Sie seit Tagen kein Auge mehr zugetan.«
    Holle öffnete seine spröden Lippen einen Spaltbreit, als würde er noch etwas sagen wollen, dann machte er plötzlich kehrt, ging davon und murmelte so leise, dass Funke es kaum verstehen konnte: »Es tut mir leid!« Ob der Kriminalhauptwachmeister damit die Ermordung des armen Salomon Hirschs, seine geschmacklose Rede oder etwas gänzlich anderes gemeint hatte, blieb sein Geheimnis.
    Der Commissarius blieb aufgewühlt im Außenkäfig zurück und versuchte, das Gespräch einzuordnen. Er hätte niemals für möglich gehalten, dass Holle ein Antisemit war. Vielleicht litt der Wachtmeister auch nur an einer temporären Verirrung, die sich mit Besserung seines allgemeinen Zustands wieder legte. Immerhin war er Polizist und sollte schon von Berufs wegen gegen diese Leute, die sich reihenweise der Verleumdung, der Beleidigung und noch schlimmerer Straftatbestände schuldig machten, Vorbehalte haben.
    Während Funke nachdenklich durch die Gitterstäbe auf den Vorplatz mit dem Springbrunnen schaute, steckte er seine Finger in die Westentasche und stieß auf einen Zettel. Obwohl er sich in den vergangenen Tagen die größte Mühe gegeben hatte, das zusammengefaltete Stück Papier zu vergessen, wusste er sofort, dass es sich um das Schreiben des Erpressers handelte, das vor einigen Tagen unter seiner Wohnungstür hindurchgeschoben worden war.
    Seine berufliche Existenz stand auf dem Spiel, und sofort waren alle Ängste wieder da. Er hatte schon den Gedanken gehegt, sich selbst anzuzeigen und so die Initiative in die Hand zu nehmen. Das hatte zumindest den Vorteil, dass das jahrelange Versteckspiel endlich beendet wäre. Vielleicht war jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, um sich seinen Jugendtraum zu erfüllen und Maler zu werden.
    Funke schraubte das silberne Griffstück seines Spazierstocks ab, entkorkte die versteckte Glasphiole und trank einen tüchtigen Schluck Cognac. Während er dem Brennen in seiner Kehle nachspürte, träumte er von einer carrière als Künstler. Als plötzlich ein Raubtier brüllte, zuckte er so heftig zusammen, dass er beinahe den Weinbrand verschüttete.
    Ich bin schreckhaft geworden, dachte er und schraubte den Spazierstock wieder zu. Er wusste, dass es so nicht

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