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Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Titel: Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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sonst nicht auf deine Figur. Seit Jahren stopfst du alles in dich hinein, was du in die Finger bekommst. Woher kommt dieser Sinneswandel?«
    »Ich sagte doch schon, dass nichts ist«, erwiderte Otto ungehalten. »Und jetzt beende ich dieses Verhör.«
    Ihm ging das Treffen mit Igraine Raab nicht mehr aus dem Kopf. Sie war von einem eigenwilligen Mädchen zu einer anziehenden Frau gereift. In der vergangenen Nacht hatte er kaum Schlaf gefunden, weil er fortwährend an ihren entwaffnenden Blick, an ihre roten Lippen und an ihre zierliche und zugleich weibliche Gestalt gedacht hatte. Er wollte sie nicht nur wiedersehen, er wollte ihr gefallen.
    Nachdem er zwei Eintrittsbillets gekauft hatte, begaben sie sich auf kürzestem Weg zur Deutschen Kolonial-Ausstellung. Zuerst erreichten sie das Kamerundorf mit einigen umherlaufenden Hühnern, dann passierten sie die ostafrikanische und die arabische Siedlung. Auf dem südwestafrikanischen Gelände herrschte großer Andrang. Wahrscheinlich fand gerade eine Aufführung statt, die den neugierigen Besuchern das Leben der Eingeborenen näherbringen sollte. Otto trat an die hüfthohe Umzäunung. Auf einem sandigen Platz spielte sich ein Schauspiel ab, das er so nicht erwartet hatte.
    » Bonjour, mon cher Docteur « , sagte Commissarius Funke, der von der Seite herangetreten war und nach Cognac roch. »Das soll übrigens eine Herero- und Hottentottenkarawane sein. Ehrlich gesagt kann ich das kaum glauben. Können Sie als Afrikareisender mir mal erklären, warum die Neger in Anzügen stecken und keine Nasenringe tragen? Das ist doch unrealistisch, sie müssen doch Nasenringe tragen!«
    »Meinen Sie das ernst?«, fragte Otto erstaunt. Er hätte nicht gedacht, dass sogar der Commissarius an das Klischee vom Buschkannibalen glaubte. »Sie sollten nicht alles für bare Münze nehmen, was in den Zeitungen so geschrieben steht«, sagte er und wandte sich wieder dem Schauspiel zu.
    Als er Wilhelm Maharero erblickte, regten sich unterschiedliche Gefühle in ihm. Einerseits musste er an Igraines Körperstudie denken, andererseits freute er sich, dass der Prinz aus der Untersuchungshaft entlassen worden war. Wilhelm Maharero ging der Karawane mit stolzem Gesichtsausdruck voraus. Offenbar hatte er durchgesetzt, dass keiner seiner Landsleute ein heidnisches Kostüm tragen musste. Ihm folgte ein Ochsengespann, das einen weißen Planwagen zog. Links und rechts ritten Namas und Hereros, die alle mit Sonnenhüten und Gewehren ausgestattet waren. Die Karawane bewegte sich auf der sandigen Fläche im Kreis. Die Holzräder des Planwagens knarrten, von Zeit zu Zeit ließ eines der Pferde einen Darmwind fahren, und der Kutscher popelte so hartnäckig in der Nase, als würde er nach einem Goldschatz suchen. Obwohl nichts Sensationelles geschah, folgten die Zuschauer dem Schauspiel gebannt. Auf einem großen, gut sichtbaren Schild stand: »Bitte nicht füttern!« Trotzdem griffen zwei picklige Halbwüchsige fortwährend in eine braune Papiertüte und warfen den Afrikanern Brotkrumen vor die Füße.
    Otto blickte aus den Augenwinkeln mehrmals zu Moses, der immer nachdenklicher geworden war.
    Am Ende der Darbietung machte ein Sprecher das Publikum darauf aufmerksam, dass in wenigen Minuten einige Massaikrieger mit Speeren auf die Jagd gehen würden.
    »Kommen Sie mit, mein Lieber«, sagte der Commissarius. »Ich würde Ihnen gerne jemanden vorstellen, der Ihnen wichtige Informationen liefern kann. Da ist er auch schon.«
    Sie traten auf einen stämmigen, sonnengebräunten Mann zu, der goldene Korkenzieherlocken hatte, die mit Zuckerwasser aus der Stirn gekämmt waren. Sein Bartwuchs war so stark, dass er sich wahrscheinlich mehrmals am Tag rasieren musste. Die goldbraunen Stoppeln sprossen bis unter die Augen, und im Hemdausschnitt gingen sie in eine buschige Brustbehaarung über, auf welcher der Eckzahn eines Löwen, offenbar eine Jagdtrophäe, ruhte.
    »Ich kenne den Mann«, sagte Otto. »Das ist ja Daniele Vicente. Hallo Daniele!«
    »Otto, alter Junge!«, sagte dieser. »Wenn das keine Überraschung ist!«
    Trotz dieses Zufalls arbeitete Ottos Verstand mit unverminderter Schärfe. Ihm war sofort aufgefallen, dass Daniele ein normales Begrüßungsritual nicht reichte, um seine Gefühle auszudrücken. Mit beiden Händen hatte er nach Ottos Hand gegriffen und ließ sie nicht mehr los. Unbewusst fürchtete er wohl, dass der Kontakt abbrechen könnte. Auch schüttelte er Ottos Hand fortwährend, wodurch sich

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